Der 8. März als „Tag der Frauen“ verführt immer wieder zu Rückblick und Ausblick. Vor 100 Jahren durften Frauen erstmalig deutschlandweit wählen - wo stehen Frauen heute eigentlich in der Gesellschaft? Ist der, nur für Berlin, kürzlich eingeführte neue gesetzliche Feiertag zum 8. März Ausdruck für die Wertigkeit der Frauen? Oder hat er etwas mit dem Wahljahr 2019 zu tun? Oder bewegt sich momentan eine Zeitmaschine? Denn auch das Bundesland Thüringen hat plötzlich 2019 einen eigenen, neuen Feiertag auf den Weg gebracht, den Weltkindertag? Und was fast betroffen macht, im Gegensatz zu vor 100 Jahren macht offensichtlich im heutigen Deutschland jeder sein Eigenes? Fragen über Fragen! Aber der Spruch „Die Uhr kann man anhalten - die Zeit nicht“ trifft nach wie vor, ganz besonders, für die Stellung der Frauen innerhalb der Gesellschaft zu.
Uhren für Frauenrechte wurden bewusst über Jahrhunderte angehalten, sogar zurückgestellt, aber die Zeit lässt sich nicht aufhalten. Nach Jahrhunderten der Unmündigkeit begannen sich kluge Frauen zu organisieren, Frauenbewegungen zu gründen, Programme für ihre Gleichberechtigung in Staat und Gesellschaft aufzustellen und eigene Forderungen durchzusetzen. Ein Rückblick lohnt, auch ein Vergleich zwischen Historie und Gegenwart - denn immer noch, oder bereits wieder (?) kämpfen Frauen gegen überlieferte und veraltete Geschlechterrollen, gegen Bevormundung, Ungerechtigkeiten, soziale Ungleichheit und heute sogar im Verbund mit Männern um die Gleichstellung innerhalb der Geschlechter („Gender-Mainstreaming“).
Die „Unsichtbaren“ -
das waren Frauen über viele Jahrhunderte hinweg. Sie wurden in einer von Männern dominierten Welt als „notwendiges Übel“ angesehen, von Bildungsmöglichkeiten weitestgehend ausgeschlossen, immer unter Vormundschaft ihrer Väter, Brüder oder Ehemänner gehalten. Eigene Rechte einzufordern, auch das Wahlrecht, blieb ihnen versagt. Erst nach den Ereignissen der Französischen Revolution (1789-1799) begann Anfang des 19. Jahrhunderts langsam ein Umdenken. Ein opferreicher Weg, gedenkt man der unter der Guillotine in Frankreich hingerichteten Olympe de Gouges (1748-1793), die für ihre mutige Überzeugung und ihr Dekret „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ ihr Leben lassen musste. Ihrem Vorbild folgten viele engagierte und kluge Frauen, die sich vehement für Frauenrechte als selbstverständliche Menschenrechte einzusetzen begannen.
Die „Unsichtbaren“ wurden sichtbar.
Mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert erfolgten, durch Frauen des Bürgertums, erste Gründungen von Frauenvereinen. In Radeberg begann das bereits im Jahr 1828 (Dresden erst 1831). Mehr als 50 Mitglieder organisierten sich und setzten sich als erste Aktivität für die Unterstützung der Armen ein. Mutige und gebildete Frauenrechtlerinnen, wie die aus Meißen stammende Louise Otto-Peters (1819-1895), die Leipzigerin Auguste Schmidt (1833-1902) und die ab 1858 in Leipzig lebende Henriette Goldschmidt (1825-1920), stellten erste Programme auf und erkannten ganz richtig, dass Frauen nur durch Zugang zu Bildung, eigener Arbeit und selbstverdientem Geld, unabhängig von Männern und damit auch frei in Entscheidungen werden würden. Sie forderten das Wahlrecht für Frauen, Möglichkeiten einer höheren Bildung, Zugang zu Universitäten und die Einbeziehung in öffentliche Angelegenheiten. Bereits 1848 forderte Otto-Peters in einer „Adresse an den hochverehrten Minister Oberländer in Dresden: Meine Herren! Im Namen der Moralität, im Namen des Vaterlandes, im Namen der Humanität fordere ich Sie auf: Vergessen Sie bei der Organisation der Arbeit die Frauen nicht!“ Der Beginn der Frauen- bzw. Emanzipationsbewegung war eingeleitet. Die nächste Generation, unter Führung der Sozialdemokratin Clara Zetkin (1857-1933), führte den Kampf fort, forderte das Frauenwahlrecht und führte 1911 den ersten Frauentag ein. Ihre Forderungen „Keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte“ bedurften jedoch, bis zu ihrer Verwirklichung in der von Männern dominierten Welt, einer langen Wegstrecke und der Veränderung der bestehenden Gesellschaftsordnung.
November 1918 war die Zeit reif…
Das Ende des Ersten Weltkrieges (11. Nov. 1918) und der Sturz der Monarchie wurden zu einem wichtigen Meilenstein in der Geschichte Deutschlands, der mit dem Beginn der ersten Demokratie einherging. Aus heutiger Sicht ist das Tempo der eingeführten Neuerungen kaum vorstellbar, mit dem die Übergangsregierung unter Friedrich Ebert (SPD), nach dem Sturz der Monarchie am 11. Nov.1918, agierte. Regelrecht „mit einem Federstrich“ wurde das bisherige Wahlrecht demokratisiert. Bereits am 12. Nov. 1918 kündigte der „Rat der Volksbeauftragten“ dem deutschen Volk neue Wahlen an: „für alle über 20 Jahre alten Bürger beider Geschlechter mit vollkommen gleichen Rechten“. Am 30. November 1918 wurde das Frauenwahlrecht im Reichswahlgesetz verankert - der Schritt, der heute als Geburtsstunde auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Frauen angesehen wird.
Am 19. Januar 1919 konnten Frauen erstmalig an der Wahl teilnehmen.
Die Geburtsstunde von Demokratie und Emanzipation nahm damit vor 100 Jahren ihren Anfang. An diesem Tag fand die erste und einzige, in Deutschland je allgemein und demokratisch geführte Abstimmung für die Wahl der Nationalversammlung statt, und Frauen konnten erstmalig im Deutschen Reich wählen oder selbst gewählt werden.
Das war nach Jahrhunderten der Unterdrückung revolutionär, bis dahin kaum vorstellbar. Und sie nahmen ihre Rechte wahr und wählten in großer Mehrheit – die Schlangen vor den Wahllokalen waren 100 Meter und mehr lang, manchmal mussten die Wähler mehrere Stunden warten, bis sie an die Reihe kamen. Die Zeitungen berichteten: „Erstmals sitzt am Wahltisch als Beisitzer eine Frau - die hätte dort früher nichts zu suchen gehabt - und dann sind unter den Wählenden mehr als die Hälfte als weiblichen Geschlechts zu bezeichnen“. Über 80% der Frauen gingen wählen. Ein Wendepunkt in der Geschichte setzte ein, bis heute bedeutsam. Mit dieser politischen Entwicklung und den daraus resultierenden Erkenntnissen, dass die Wählerstimmen der Frauen und ihr Wahlverhalten auch durchaus ein nicht zu unterschätzendes Kräftepotential für Parteien waren, begann das Nachdenken über ernsthafte Konzepte für Frauen, ihre Mitwirkung und Einbeziehung, auch in Themen des Staates. Jedoch sollte es durch die Katastrophe des Hitlerregimes (1933-1945) und den Zweiten Weltkrieg nochmals bis nach 1945 dauern, bevor sich in dem nun geteilten Deutschland, mit seinen zwei unterschiedlichen Staaten, die Emanzipation der Frau weiter vollziehen konnte.
Zwei
Gesellschaftsordnungen -
zwei unterschiedliche Uhren ticken in einer Zeit.
Die weitere Entwicklung des Frauenrechts fand in dem geteilten Deutschland in unterschiedlicher Form, noch unterschiedlicherem Tempo und unterscheidbarer Lautstärke statt. Bereits am 8. März 1947 war der Gründungstag des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD). Ab 1949, mit Gründung der zwei deutschen Staaten, wurde der DFD in der DDR zur Massenorganisation, die BRD nahm die Organisation 1950 in die Landesverbände auf, 1957 erfolgte das Verbot wegen Verfassungsfeindlichkeit. In der DDR stellte der DFD anteilig Abgeordnete für die Volkskammer, die sich für die Realisierung der Verfassungsgrundsätze der Gleichberechtigung der Frau einsetzten. Unter dieser Voraussetzung vollzog sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Osten Deutschlands der Prozess der Gleichberechtigung von Frauen. Das verlief auf Grund der hier vorherrschenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen und der unabdingbaren Notwendigkeit, Frauen in den Erwerbs- und Arbeitsprozess einzubeziehen, fast unbemerkt und selbstverständlich. Die bisherige Stellung der Frau wurde von Grund auf umgewandelt, eine neue Sicht begann. Sie erhielt in diesem Teil Deutschlands mit ihrer Arbeitskraft einen hohen Stellenwert, trug durch ihre Mitarbeit zur Hebung des Lebensniveaus der Familie bei. Selbstverständlich im Konsens mit den Männern. Auch für diese hatte eine neue Sicht begonnen, weg von dem Rollenbild ihrer Väter und Großväter, die noch als Alleinverdiener die „Bestimmer in allen Lebensfragen“ für das Wohl der Familie gewesen waren. Auch die Männer lernten nun, die Frau als gleichberechtigten Partner mit ihren Wünschen und Vorstellungen zu akzeptieren, sie ganz selbstverständlich bei Ausübung ihres Berufes, der Hausarbeit und Kinderversorgung, aber auch bei Weiterbildungsmaßnahmen zu unterstützen. Die Grundlagen der Emanzipation, u.a. durch Gleichstellung der Geschlechter, weg von der patriarchalischen Tradition, fand ganz normal Eingang in das tägliche Leben. Wer erinnert sich nicht noch heute des ungewohnten Straßenbildes, als erste „emanzipierte junge Männer“ fortschrittlich anfingen, selbst den Kinderwagen mit ihrem Nachwuchs zu schieben… Anfangs belächelt, gehörte es bald zum Alltag, ebenso wie Windeln wechseln und Hausarbeit übernehmen.
Von staatlicher Seite aus erfolgte bereits ab der Gründung der DDR 1949 die Förderung und Unterstützung dieses Gleichstellungs-Prozesses. Eine Vielzahl von Staats- und Ministerratsbeschlüssen zur Förderung der Frauen und der Familie, bis hin zur Schaffung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, wurde auf den Weg gebracht. Heute bereits wieder ein Novum, damals Selbstverständlichkeit, um Arbeits- und Qualifizierungsmöglichkeiten sowie Schichtarbeit abzusichern. Ab Mitte der 1950er Jahre wurde verstärkt die Umsetzung des Rechts auf Bildung in den Fokus der Frauenförderung gestellt. Berufsausbildung wurde selbstverständlich, Möglichkeiten eines kostenfreien Studiums für jeden, ob an Arbeiter- und Bauern-Fakultäten („ABF“, s.a. MDR 26.2.2019/ 21 Uhr „der Osten“), als Fern- und Abendstudium, Frauensonderstudium oder Qualifizierung in Frauenakademien. Für die Teilnahme an Qualifizierungen wurde in den Betrieben regelrecht geworben.
Im Gegensatz zu dieser Entwicklung in der DDR bildete sich in der BRD, auf Grund anderer wirtschaftlicher Voraussetzungen, ein zwangsläufig anderes Situationsbild heraus, das die Einstellung der Männer gegenüber Frauenarbeit prägte. Die Frauen in Westdeutschland wurden nach Gründung der Bundesrepublik 1949 wieder in eine restaurative Familien- und Geschlechterpolitik mit der traditionellen Geschlechterrolle gedrängt. Ihr Rollenklischee sah für sie weiterhin, wenn möglich ohne große Ausbildung, das Warten auf die „gute Partie“ vor. Die Frau nahm größtenteils wieder die Rolle der Hüterin des Heimes und der von ihrem Ehemann wirtschaftlich abhängigen Hausfrau und Mutter ein. Noch im Jahr 1978 (!) nahm der geistreiche Spötter und Satiriker Loriot, einer der besten deutschen Humoristen überhaupt, mit seinem feinen Spott seine Gesellschaft auf die Schippe. In seinen Sketchen „Jodeldiplom“ und „Husarenzipfel“ geißelte er witzig die Hohlheit seines Gesellschaftssystems, wenn er die Hausfrau Frau Hoppenstedt (Evelyn Hamann), die einen „Jodelkurs“ besuchte, sagen lässt: „Wenn die Kinder aus dem Haus sind, da habe ich nach zwei Jahren Jodelschule mein Jodeldiplom. Da hab ich was in der Hand. Und ich habe als Frau das Gefühl, dass ich auf eigenen Füßen stehe. Da hab ich was Eigenes. Ich möchte auch als Frau eine sinnvolle Tätigkeit ausführen und nicht nur am Kochtopf stehen und meinem Mann die Hausschuhe hinterhertragen. Mein Mann möchte eine echte Partnerin haben, die ihre eigenen geistigen Fähigkeiten entwickelt – für die Familie, für die Gesellschaft“. Seine Karikatur der Gesellschaft macht mit ihrem Sittenbild heute noch sprachlos…
Erst mit den Protesten der „68er“ Studentenbewegung und der daraus hervorgehenden Frauenbewegung, begannen ab Mitte der 1970er Jahre junge Frauen in Westdeutschland ihre Rechte und Ziele lautstark zu artikulieren. Dabei wurden von staatlichen Stellen, durch bewusste Verzögerung der Entscheidungsfristen, manche Forderung auch regelrecht boykottiert, wie das Gleichberechtigungsgesetz von 1957, das auch zum Zeitpunkt der Verabschiedung noch unvollkommen war. Auch hier war die DDR wieder Vorreiter gewesen, denn bereits in der Verfassung von 1949 mit dem Artikel 7, Abs.1, wurde ohne größere Diskussion festgeschrieben: „Mann und Frau sind gleichberechtigt“, Abs. 2: „Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben“. Es ist unstrittig, dass die Politik der damaligen DDR die Wahrnehmung und Durchsetzung von Frauenrechten und Fraueninteressen zum Staatsziel erklärt hatte und die Realisierung des Gleichberechtigungsprinzips in der Verfassung festgelegt wurde (Gesetze über Mütter- und Kinderschutz, Rechte der Frau, gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit, Qualifizierung für Leitungspositionen, Bau von Kinderkrippen und -gärten). Natürlich vom Staat nicht uneigennützig geregelt, denn über 90 % berufstätiger Frauen (bis 1989) waren mit ihrer Arbeitskraft ein wichtiger, nicht zu unterschätzender Faktor der Volkswirtschaft. Auch deshalb wurde „Die Frauenfrage im real existierenden Sozialismus zum Teil der sozialen Frage“ erhoben. Sie mussten also nicht protestierend, kreischend oder Tomaten werfend (Sept.1968 in Frankfurt/M.) auf sich aufmerksam machen, wie ihre Geschlechtsgenossinnen in der BRD. Außerdem waren Tomaten in der DDR Mangelware und wurden, wenn überhaupt erhältlich, lieber für die Versorgung der Familie eingesetzt, statt als Wurfgeschosse. Ostdeutsche Frauen und Mütter waren auch nicht „Heimchen am Herd“, sondern zunehmend gut ausgebildet und selbstbewusst, in Vollzeitbeschäftigung, Weiterbildung und Qualifizierung eingebunden und hätten deshalb weder „Nerv noch Zeit noch Anlass“ für solche Aktionen gefunden.
Frauen der Bundesrepublik hatten es dagegen schwerer. Die „Väter des Grundgesetzes“ hatten vorerst das Sagen. Frauen blieb nur der lautstarke Kampf, das „auf sich und ihre Probleme aufmerksam machen“, um die Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungen zu erhalten. Ihre Situation entsprach der vor Einführung des Frauenwahlrechts 1919. Ihre Themen waren immer noch: Gleichberechtigte Beteiligung an Erwerbsarbeit, existenzsichernde Löhne, Unabhängigkeit vom Ehemann bei Vertragsabschlüssen, Zugang zu Bildungsmöglichkeiten, legaler Schwangerschaftsabbruch, gegen Gewalt an Frauen und Kindern. Forderungen, die im Osten Deutschlands längst kein Thema mehr waren, größtenteils Verwirklichung gefunden hatten und wo es, trotz manch zunehmender Unzufriedenheit, zumindest in diesen Fragen „ruhig“ zuging.
„Weiße Flecken“ auf Landkarten verursachten
weiße Flecken in den Köpfen…
Diese „Ruhe“ verführte offensichtlich Frauenrechtlerinnen der Altbundesländer in der sogenannten Wendezeit zu der Schlussfolgerung, dass Frauen der DDR bisher absolut keine Ahnung von Frauenrecht, Emanzipation und sexueller Befreiung gehabt hätten. Wortreich sahen sie sich, nach der Wiedervereinigung, mit mediengewandten Feministinnen wie Alice Schwarzer an der Spitze, als das einzig und wahre „Non plus Ultra“ der Emanzipationsbewegung an. Da in ihrer Welt die „Ostzone“ bereits in der Schulzeit ein weißer Fleck auf Landkarten war, hatten sie sich nie für das Land, noch weniger für das Leben seiner Bewohner interessiert. Im Gegensatz zu der ostdeutschen Bevölkerung, die alles, was im Westen geschah, über Funk oder wo es möglich war im Fernsehen, interessiert verfolgt hatte. Deshalb ist es auch verständlich, dass westdeutsche Frauen nicht wissen konnten, dass ihre Geschlechtsgenossinnen in Ostdeutschland viele Privilegien der Gleichberechtigung in ihrem Alltag bereits ganz selbstverständlich, schon lange, besaßen, für die sie in der bundesdeutschen Frauenbewegung immer noch lautstark demonstrierten. Die westdeutsche Sozialwissenschaftlerin und Historikerin Dr. Gisela Notz gehört zu den wenigen kompetenten Wissenschaftlerinnen und Ausnahmen, die sich mit der Wiedervereinigung Deutschlands der Mühe einer sachlich-unvoreingenommenen Untersuchung der Entwicklung des Frauenrechts zwischen BRD und ehemaliger DDR unterzogen hat. Ihre Veröffentlichungen dürften vielen in den Altbundesländern nicht gefallen haben, wenn sie bereits 1990 feststellte: „Die Frauen in der DDR haben viel zu verlieren - sie wissen das. Die Frauen in der BRD könnten viel gewinnen – wenn sie endlich fordern, dass das, was gut war in der DDR, in das westliche Rechts- und Sozialsystem übertragen wird. Deswegen ist es dringend an der Zeit, dass Frauen aus Ost und West gemeinsam Strategien für eine zukünftige Frauenpolitik entwerfen“. Die Gründung des Frauenverbandes „UFV“ 1989 erfüllte diese Hoffnungen jedoch nicht.
Wie sind die Uhren nach 100 Jahren Frauenwahlrecht heute gestellt?
Diese Frage kann sich, oder besser sollte sich, jeder selbst beantworten. Bereits die Niederschriften aus der Zeit der „Runden Tische“ 1989 ließen den zukünftigen Stellenwert der Frauenfrage unschwer erkennen: „In einem geeinten Deutschland darf sich die rechtliche, ökonomische und soziale Lage der Frau nicht verschlechtern“ – jeder, der aufmerksam war, konnte diese Aussage richtig zuordnen: Die Rede war von „nicht verschlechtern“. Ging man nun dabei als Grundlage von der momentanen Ost- oder Westsituation aus? Auch das klärte sich schnell: In den folgenden Vereinigungsdebatten wurde Frauenpolitik weitestgehend ausgeschlossen.
Weitere berechtigte Alarmsignale hätten nach der Wiedervereinigung 1990 auch Äußerungen des sächsischen Sozialministers auslösen müssen, der seiner Freude darüber Ausdruck verlieh, „dass nun endlich auch die Frauen der ehemaligen DDR die Möglichkeiten haben, ihrer Bestimmung als Frau und Mutter nachkommen zu können“. Welche „Bestimmung“ die Frauen erwartete, zeigte bald die prekäre Situation auf dem Arbeitsmarkt. Hatte die ehemalige DDR mit ihren politischen Rahmenbedingungen bisher die Vollzeitbeschäftigung von Männern und Frauen gleichermaßen gefördert, wurde nun versucht, mit Übernahme westdeutscher sozialpolitischer Rahmenbedingungen, das Erwerbsverhalten ostdeutscher Frauen dem Niveau der westdeutschen Frauen anzupassen. Viele ostdeutsche Frauen, die bisher auf Grund ihrer Ausbildung und Förderung auf dem Arbeitsmarkt in Vollzeitbeschäftigung ganz selbstverständlich erwerbstätig und vom Manne wirtschaftlich unabhängig waren, sahen sich nach der Wiedervereinigung einer Arbeitsmarktlage gegenüber, die für die allermeisten unerträglich wurde. Zusätzlich noch mit Empfehlungen konservativer Politiker begleitet, die hofften, dass sich ostdeutsche Frauen dem „Hausfrauenmodell“ der Altbundesländer zuwenden würden. Diese Angleichung wird, nach wie vor, von den meisten Frauen generationsübergreifend bis heute in Ostdeutschland abgelehnt.
Statt Arbeit kam für die meisten Frauen der ernüchternde Gang zum Arbeitsamt. Dieses Modell bedeutete wieder längst überwundenen Rückschritt in soziale Abhängigkeit des Mannes, oder, wenn diesen das gleiche Schicksal des Arbeitsplatzverlustes traf, gemeinsame Abhängigkeit vom Staat. Eigentlich das Schlimmste, was man Menschen überhaupt antun kann, dass man ihnen das Menschenrecht auf Arbeit vorenthält, ihnen statt Arbeit Unterstützung und Almosen reicht, sie zwar „satt macht“, jedoch in Abhängigkeiten bringt und vielen damit auch Stolz und Würde nimmt. Bereits 1889 wurde auf dem „Internationalen Arbeiterkongreß“ zu Paris festgestellt: „Diejenigen, welche auf ihr Banner die Befreiung alles dessen, was Menschenantlitz trägt, geschrieben haben, dürfen nicht eine ganze Hälfte des Menschengeschlechtes durch wirtschaftliche Abhängigkeit zu politischer und sozialer Sklaverei verurteilen.“ Jedoch gerade das scheint weltweit aktueller denn je zu sein.
Darüber sollte jeder nachdenken! Nachdenken auch durchaus darüber, was diese Situation der Abhängigkeit auf Dauer insgesamt aus Menschen macht, die nicht mehr gebraucht werden, sich überflüssig und wertlos fühlen müssen. Ganz gleich, ob es Männer oder Frauen betrifft, wird es zu einer Veränderung des gemeinsamen Miteinander führen. Wie sonst erklärt man sich sonst die zunehmende Gewalt in Ehe und Familie? Zum Teil nie gekannte, selbstzerstörerische und grausame Tötungsdelikte gegen Frauen und Kinder? Wie sonst erklärt man sich die Notwendigkeit, verstärkt Frauen- und Männerhäuser für Fluchtmöglichkeiten aus unerträglichen, zumeist durch finanzielle Abhängigkeit hervorgerufene unlösbaren Beziehungen, bereitzustellen? Diese Häuser werden vom Sozialstaat gefördert und geschaffen – das eigentliche Grundübel wird nicht angegangen: Arbeit zu schaffen, damit Frauen und Männer wieder unabhängig werden und aus unerträglichen Situationen jederzeit selbstbestimmt herausgehen können. Vielmehr feiert sich das Bundesfamilienministerium stolz mit der Schaffung des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“, einer Möglichkeit telefonischer Beratung für Betroffene. Die Gesellschaft verändert sich, und die Gewaltbereitschaft nimmt eine neue, durchaus beängstigende, auch noch nie dagewesene Dimension an: Vergewaltigung, Zwangsprostitution, Zwangsheiraten, Kindesmissbrauch, „Ehrenmorde“ durch Männer an weiblichen Familienmitgliedern, Messer- und Gewaltattacken durch „Männer“ anderer Kulturkreise zum Lösen ihrer Probleme. Straftaten, die in aller Öffentlichkeit vollzogen werden, fern jeglicher Menschenrechte und die offenbar mit einer schleichenden „Gewöhnung“ durch ihre Alltäglichkeit einhergehen. Was würden Deutschlands Frauenrechtlerinnen vergangener Generationen dazu sagen? Aber auch um deren andere Forderungen scheint es schlecht bestellt zu sein. Noch immer oder schon wieder kämpfen Frauen für die Gleichstellung von Mann und Frau, jetzt auch um Gleichberechtigung innerhalb der Geschlechter („Gender-Mainstreaming“). Wieder wird für Zugang zu Arbeit, gleiche Chancen bei Jobs und zwar ohne Quote gekämpft, um gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Aber auch gegen den Paragraphen 218 und 218 A und gegen Misshandlung und Gewalt an Frauen und Kindern.
Alles Forderungen, die bereits die Gründergeneration der Frauenbewegung gestellt hatten - Gleichberechtigung begann also nicht nur mit dem Frauenwahlrecht vor 100 Jahren, zweifelsohne ein sehr wichtiger Schritt, sondern bereits vor fast 200 Jahren mit der gestellten Forderung der Gründergeneration: Zugang und Möglichkeit zur eigenen, existenzsichernden Arbeit. Gleichberechtigung beginnt auch nicht mit einem Feiertag, herzigen Worten, Blumen und Konfekt. Gleichberechtigung beginnt in den Köpfen – im Denken muss sich etwas Grundsätzliches ändern, erst dann wird auch das Handeln folgen können...
In Deutschland steht dieses Jahr der 8. März unter dem Leitspruch:
„Verfassungsauftrag Gleichstellung – Taten zählen“
Na, schauen wir mal, wie Uhren und Zeit ticken werden...
©Renate Schönfuß-Krause
März 2019
Quellen: