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Carsta Genäuß - Kühn, Kanutin, Olympiasiegerin, mehrfache Welt- und DDR-Meisterin
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Carsta Genäuß - Kühn; Kanutin, Olympiasiegerin, mehrfache Welt- und DDR-Meisterin

©Renate Schönfuß-Krause

Carsta Genäuß - Kühn,  2021
Carsta Genäuß - Kühn, 2021

Wer das Glück hat, Carsta Genäuß-Kühn näher kennenlernen zu dürfen, eine gebürtige und bekennende Dresdnerin und ehemalige deutsche Kanutin, wird sich mit Sicherheit kaum dem Charme dieser Frau entziehen können, ihrer Natürlichkeit und auch ihrer Bescheidenheit, die ungeachtet ihrer vielen Erfolge nie ein großes Wesen um die eigene Person macht. Bereits als Jugendliche begann sie mit dem Sammeln, richtiger gesagt mit dem Erkämpfen von Jugendmeistertiteln in Gold als Kanurennsportlerin, darauf aufbauend wurde sie später siebenmal Weltmeisterin und einmal Olympiasiegerin. Sie wird mit ihren Erfolgen zu Recht mit zu den „Erfolgreichsten Renn-Kanutinnen aller Zeiten“ gezählt, blickt auf unzählige Wettbewerbe, Meisterschaften, Europa- und Weltmeisterschaften zurück, sie brachte Olympia-Gold in ihre Heimatstadt Dresden und war als Kanutin auf fast allen bedeutenden nationalen und internationalen Wettkampfstätten der Welt zu Hause. Eine selbstbewusste Frauenpersönlichkeit, die Höhen und Tiefen einer Sportkarriere kennt und der nichts geschenkt wurde. Ihre Erfolge beruhen auf Disziplin von Kindesbeinen an und hartem Trainingswillen, verbunden mit Talent, Zähigkeit und Fleiß kam sie an die Weltspitze.

Wer sie dann, nach ihrer Laufbahn als Leistungssportlerin, auch in ihrer späteren beruflichen Entwicklung persönlich kennenlernte oder als Kollegin und Mitarbeiterin erlebte und schätzen lernte, weiß um ihre Qualitäten als kluge, verlässliche, zielstrebige und ehrgeizige Partnerin, bei der jedoch nie der Spaß und die Freude an der Arbeit zu kurz kam und kommt. Als einstige „gelernte“ Spitzensportlerin, die von ihren Trainern zumeist als starke Frontfrau für die Disziplinen im Zweier-Kajak (K2) und Vierer-Kajak (K4) besetzt wurde, hatte sie frühzeitig die Erfahrung gemacht, dass nur verlässliche Partnerschaft und fairer Umgang im Miteinander zu Höchstleistungen und dem Erreichen der gesteckten Ziele führen kann – ihre Gütesiegel bis heute. Sicherlich können es sich Außenstehende kaum vorstellen, dass die Rennkanutinnen, die zusammen im Zweier-Kajak oder Vierer-Kajak Weltmeistertitel oder Olympia-Gold einfuhren, zumeist erst kurz vor einer Regatta von ihren Trainern für ein Boot zusammengestellt und besetzt wurden, sich manchmal kaum kannten. Da war absoluter Teamgeist erforderlich, um den Gleichklang im Boot zu garantieren, der in den Finalläufen zum Sieg führen sollte und die anfeuernden Rufe der Frontfrau im Takt „Weiter, weiter!“ für ihre Mannschaft sind auch heute noch ihre Lebensdevise. Diese Fähigkeiten zeichneten Carsta Genäuß-Kühn besonders aus und führten auch zu den spektakulären Siegen, die sie gemeinsam mit der aus Potsdam stammenden Olympionikin Birgit Fischer errang. Beide Frauen gehörten zur Spitzenklasse, beide waren auch durchaus sportliche Konkurrentinnen, wenn es um den Platz auf dem Siegertreppchen ging, aber beide kämpften immer im positiven Sinn. Diese Fairness, Leistungen einer Konkurrentin anzuerkennen und als Maßstab für die Messlatte des eigenen Anspruchs zu nehmen, das ist gelebter Sportgeist von Carsta Genäuß-Kühn. Obwohl sie in Dresden trainierte und Birgit Fischer (später verheiratete Schmidt) in Brandenburg lebte und trainierte, verband beide Sportlerinnen und ihre Familien auch im Privatbereich eine enge Freundschaft.

Carsta Genäuß-Kühn ist auch heute noch ein Energiebündel, immer voller Ideen und neuer Pläne, dabei auch durchaus kritisch das „Einst und Jetzt“ einschätzend, abwägend und bewertend.

 

Eines jedoch verbindet ihren Rückblick auf Zeiten der Vergangenheit mit denen der Gegenwart und dem Blick in die Zukunft – ihre Liebe zum Wasser, zum Kajakfahren. Das war und ist ihre Welt und große Freude, das fällt ihr immer noch leicht, wenn sie sich mit eigener Muskelkraft auf dem Wasser bewegt. Es ist ihr vertrautes Element, welches es ihr in den Jahren ihrer größten sportlichen Erfolge, mit hartem Training, ermöglicht hatte, große Rennen zu bestreiten und Goldmedaillen regelrecht zu „sammeln“. Heute betreibt sie diese Sportart noch als Freizeitsport neben ihrer Arbeit als Restauratorin. Nach wie vor ist sie begeistert auf der Elbe zuhause, wo sie jede Biegung des Flusses, jede Stromschnelle und Besonderheit kennt. Ihren Urlaub verbringt sie, die einstmals mit dem Paddel um die ganze Welt reisen durfte, am liebsten gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann im Kajak auf der Brandenburger Seenplatte, einer Landschaft, die sie über alles liebt und für deren Naturbelassenheit sie ins Schwärmen kommt…

Ein Leben im Telegrammstil - Wasser wurde ihr Lebenselixier

Carsta Genäuß (* 30. Nov. 1959 in Dresden) stammt aus einer mit dem Wassersport eng verbundenen Dresdner Familie. Bereits ihre Eltern waren wettkampfmäßig im Kanuverein Dresden-Laubegast organisiert und begannen frühzeitig ihre zwei Kinder, Tochter Carsta und den ein Jahr älteren Sohn André, im Kanurennsport zu fördern. Vater Heinz Genäuß hatte bereits als Jugendlicher 1950 für die Nachfolgeorganisation des Kanuvereins Laubegast, die BSG Motor Dresden Ost (ab 1966 BSG Pentacon Dresden), den Titel eines DDR-Jugendmeisters im Einer-Kajak (K1) 500 m errungen, 1954 wurde er zweifacher DDR-Meister im Einer-Kajak und Zweier-Kajak (K2) und gehörte zur DDR-Nationalmannschaft. Ab 1958 war er als Übungsleiter und Kampfrichter aktiv und für den Kinder- und Jugendsport in der BSG verantwortlich. Mutter Ilse Genäuß war aktiv in der Sektion Wasserwandern organisiert.

Carsta Genäuß besuchte von 1966 bis 1973 die Polytechnische Oberschule. Auf Grund ihrer außergewöhnlichen sportlichen Leistungen erfolgte von 1973 bis 1977 ihre Delegierung auf die Kinder- und Jugendsportschule Dresden (KJS), die eng mit dem SC Einheit Dresden verbunden war. Danach folgte eine Berufsausbildung als Gebrauchswerberin (Schauwerbegestalterin) in der „Zentralen Ausbildungsstätte für Gebrauchswerber und Werbemittelhersteller“ des Konsum-Bezirksverbandes Dresden. Mit speziellen Lehrplänen, abgestimmt auf ihre besonderen leistungssportlichen Anforderungen und Wettkampftermine, schloss sie die Ausbildung 1980 erfolgreich ab, nachdem sie kurz zuvor Olympia-Gold im K2 errungen hatte. Danach nahm sie, neben ihren Verpflichtungen als Leistungssportlerin, gleichzeitig bei der Konsumgenossenschaft Dresden Stadt eine Tätigkeit als Gebrauchswerberin auf.

Sie war von 1980 bis 1999 mit dem DDR-Juniorenmeister im Kanurennsport, dem Diplom-Sportlehrer Jens Kühn, verheiratet und ging ab diesem Zeitpunkt national und international unter dem Namen Carsta Kühn an den Start. In dieser Ehe wurden Tochter Tina (* 1982) und Sohn David (* 1987) geboren.

Erinnerungen an eine großartige Sport-Karriere, die hier an der Elbe begonnen hat.

Carsta Genäuß-Kühn mit ihrer Goldmedaille, die sie bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau im Olympia-Zweier (K2) mit der Besetzung Bischof / Genäuß erkämpft hatte.

Im Hintergrund das Bootshaus des SC Einheit Dresden.

Auf der Höhe ihrer größten sportlichen Erfolge beendete Carsta Kühn 1985 als Olympiasiegerin, siebenfache Weltmeisterin, 4-fache Junioren-Europameisterin und als eine der erfolgreichsten Teilnehmerinnen an Titelkämpfen weltweit, die Gold im K1, K2 und K4 für die DDR auf Internationalen und Nationalen Kanu-Rennsportregatten und Meisterschaften als Titelsiegerin erkämpft hatte, ihre sportliche Karriere, um sich verstärkt ihrer weiteren beruflichen Entwicklung zu widmen. Ab 1985 wurde sie in die Leitung der gemeinsam vom Rat der Stadt Dresden und der Konsumgenossenschaft Dresden Stadt gegründeten „Sonderarbeitsgruppe Handelsniveau Stadt Dresden“ berufen und war maßgeblich an der Entwicklung von Musterverkaufsobjekten im Bezirk Dresden beteiligt. Zusätzlich absolvierte sie von 1986 bis 1991 ein Fernstudium an der Fachschule für Werbung und Gestaltung Berlin (FH), das sie als „Werbemethodikerin“ abschloss. Mitten in diesen Turbulenzen eines beruflichen Neubeginns und der zusätzlichen Belastung eines fünfjährigen Fernstudiums in Berlin entschied sie sich für ihr zweites Kind. Sohn David wurde 1987 geboren.

Nach der politischen Wende 1990 war sie in Leitungsfunktion in der Werbeleitung des Konsum Dresden e.G. beschäftigt. Weiterbildungslehrgänge der Fachrichtung Multimedia der Firma Media-Design folgten, sowie die Ausbildung als Sport- und Tourismus-Managerin.

Heute lebt die erfolgreiche Olympionikin des Kanu-Rennsportes in zweiter Ehe in Dresden und arbeitet als Restauratorin im Landesamt für Archäologie Sachsen.

„Auch Elbepaddeln macht hart“ - ihre sportliche Laufbahn

Ihre sportliche Laufbahn begann im frühesten Kindesalter. Schon mit zwei Jahren wurde sie von den Eltern ins Faltboot gesetzt und auf allen Touren mitgenommen, mit sechs Jahren paddelte sie bereits selbst auf der Elbe, und ab ihrem neunten Lebensjahr wurde sie von ihrem Vater bereits gezielt trainiert. Er erkannte das Talent seiner Tochter für diese, damals für ein Mädchen noch ungewöhnliche Sportart des Kanurennsports. Die ebenfalls im Kanusport aktive Mutter, die es lieber gesehen hätte, dass die Tochter die „gemütlichere Form“ des Kanufahrens bevorzugt hätte, versuchte die Begeisterung ihrer noch sehr zierlichen Tochter für diesen speziellen Rennsport zu zügeln: „Carsta, das ist aber kein Sport für ein Mädchen“. Jedoch Carsta ließ sich nicht beirren. Später wurde Jörg Zeidler als Leiter des Trainingszentrums BSG Pentacon Dresden ihr Trainer und förderte weiterhin erfolgreich ihr Talent.

Da der Kanurennsport im Verein der BSG Pentacon Dresden bisher eine nur von Männern dominierte Sportart war, setzte die erst 10-jährige Carsta Genäuß, entgegen vorherrschender Widerstände, ihren Willen durch und wurde 1969 als erstes weibliches Mitglied in der Sektion aufgenommen. Als einziges Mädchen trainierte sie ab diesem Zeitpunkt mehrmals wöchentlich in einer Schülergruppe mit 20 Jungen, zu denen auch Bruder André Genäuß gehörte, der um 1970 bereits ein erfolgversprechender Nachwuchssportler war. Diese Zeit des Trainings formte weiterhin Carstas Willen, durch Kraftanstrengung durchzuhalten und sich gegen die „männliche Präsenz“ mit verstärktem Fleiß durchzusetzen.

Als talentiert und entwicklungsfähig eingeschätzt, gehörte sie bald zu den leistungsfähigsten Jugendlichen, die gefördert werden sollten und erhielt von der BSG Pentacon Dresden 1973 eine Delegierung zum SC Einheit Dresden, einem der erfolgreichsten Leistungszentren des DDR-Leistungssports. Damit war sie in die staatliche Leistungssportförderung des DDR-Sportsystems eingebunden und wurde als Kanurennsportlerin von den Trainern Ralf Zeidler und Bernd Metzler betreut. Sie startete bereits im gleichen Jahr für den SC Einheit Dresden und gewann im Juniorenalter alle Titelkämpfe, so u.a. die DDR-Meister-Titel bei den „Landesmeisterschaften der Schüler, Jugendlichen und Junioren“, sie wurde 1973 „DDR-Schülermeister“, 1974 „DDR-Jugendmeister“ und 1975 „DDR-Juniorenmeister“. Außerdem errang sie den Titel „Deutscher Meister/ Spartakiade“. Mit dieser kontinuierlichen Entwicklung, gezielt unterstützt durch den Dresdner Sportclub, setzte eine Erfolgsserie ein, die sie bald zur Spitzenklasse des DDR-Kanurennsports aufsteigen ließ.

Als 15-jährige kam sie in die Junioren-Nationalmannschaft und holte sich im Juli 1975 in Rom, zu den V. Europameisterschaften der Junioren im Kanurennsport auf dem Lago Albano in Castel Gandolfo, die Europa-Meister-Titel in Gold im Einer-Kajak (K1) 500 m und Vierer-Kajak (K4) 1000 m. Nur zwei Wochen später bestätigte sie diese Erfolge, als sie in Moskau bereits als DDR-Junioren-Europameisterin anlässlich der „Jugendwettkämpfe der Freundschaft“ startete und erneut Gold im K1 über 500 m holte und Bronze im K2 über 500 m (mit Anita Braasch). Um ihren Leistungsstand als Jugendliche im Feld der DDR-Spitzenklasse zu testen, nahm sie 1975 als Junioren-Europameisterin an der „Templiner Langstreckenregatta“ teil und startete als 16-jährige Juniorin in der Seniorenklasse, wo sie in dem Rennen K1 über 5000 m einen vielbeachteten 3. Platz erringen konnte, der allgemein als großer Erfolg der Nachwuchssportlerin gewertet wurde. Ihre Erfolgsserie setzt sie zu den VI. Junioren-Europameisterschaften 1977 in Vichy (Frankreich) fort. Sie trat als Titelverteidigerin an und holte erneut Gold mit zwei Europameistertiteln im Einer-Kajak (K1) und Zweier-Kajak (K2) mit Gabriele Schlegel. Bei den Jugendwettkämpfen der Freundschaft (JWdF) 1977 auf dem Snagovsee in Rumänien errang sie wieder Gold und holte sich gemeinsam mit Birgit Fischer den Titel im K2 500m.

Ab 1978 begann Carsta Genäuß ihren Start im Elitebereich. Im gleichen Jahr errang sie ihren ersten Weltmeistertitel bei den Kanu-Weltmeisterschaften der Damen und holte auf der Save (Jugoslawien) im Kajak-Vierer (K4) gemeinsam mit Marion Rösiger, Roswitha Eberl und Birgit Fischer den Titel.

In den 1970er und 1980er Jahren waren ihre Höchstleistungen und größten sportlichen Erfolge zu verzeichnen. Carsta Genäuß gelang der Aufstieg in die Weltspitze (s. Tabelle). Als die Vorbereitungen zur Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 1980 in Moskau getroffen wurden, hatten sich, zur Qualifizierung für die Nationalmannschaft in den Wettkämpfen der Vorauswahl für die Kategorie Einer-Kajak (K1), die Kanutinnen Marion Rösiger , Martina Bischof und Carsta Genäuß qualifiziert. Als Rösiger aus politischen Gründen, wegen des Verstoßes gegen die in den DDR-Mannschaften gültigen Regeln und Verbote im Umgang mit Westkontakten, nicht für die Olympia-Wettkämpfe besetzt wurde, startete der Olympia-Zweier (K2) mit der starken Besetzung Bischof und Genäuß. Dieses Team gewann als Doppel bei den Olympischen Spielen 1980 mit großem Vorsprung die Goldmedaille über 500 m vor den Booten der UdSSR und Ungarn.

Nach der Olympiade folgte im August 1980 die Eheschließung der Olympionikin Carsta Genäuß mit dem Kanurennsportler Jens Kühn. Ihre weitere Erfolgsserie wurde nun unter dem Namen Carsta Kühn vollzogen und gelistet.

Die Goldmedaille, errungen im Olympia-Zweier (K2) mit der Besetzung Bischof / Genäuß bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau.
Die Goldmedaille, errungen im Olympia-Zweier (K2) mit der Besetzung Bischof / Genäuß bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau.

Außer dem Olympischen Gold gewann sie insgesamt sieben Goldmedaillen als Weltmeisterin bei den ICF Canoe Sprint World Championships. Davon waren drei Weltmeistertitel in Gold im K2 500 m Sprint der Damen (1981 Nottingham, 1983 Tampere und 1985 Mecheln) zu verzeichnen und vier im K4 500 m (1978 Belgrad, 1981 Nottingham, 1983 Tampere, 1985 Mecheln). Hervorzuheben sind davon drei Siege gemeinsam mit Birgit Fischer im Sprint K2  500 m und einen Sieg im K4  500 m.

Weitere Titel-Erfolge in Gold erzielte sie bei den DDR-Kanu-Meisterschaften der Damen für den SC Einheit Dresden. Im Jahr 1980 im Einer-Kajak K1 500 m und gleichzeitig gemeinsam mit Birgit Fischer vom ASK Vorwärts Potsdam im Zweier-Kajak K2 500 m. Die Erfolgsserie setzte sie 1981 im Zweier-Kajak K2 500 m mit Ramona Walther fort, 1983 wieder im Zweier-Kajak K2 500 m mit Ramona Walther, 1984 im Zweier-Kajak K2 500 m mit Birgit Schmidt-Fischer und 1985 im Zweier-Kajak K2 500 m mit Birgit Schmidt-Fischer. Zusätzlich dazu kamen die Siege im Vierer-Kajak K4 500 m, 1983 mit Walther, Fischer und Giese, 1984 mit Fischer, Bunke und Giese, 1985 mit Schmidt-Fischer, Bunke und Giese.

„Wir wurden großartig unterstützt – doch gegen den Strom durfte niemand paddeln!“

Bei all diesen großen Erfolgen blieb Carsta Genäuß-Kühn dennoch ein Wermutstropfen nicht erspart, denn sie wurde von Trainern und Sportfunktionären fast nur für den Kajak Zweier und Vierer eingesetzt, obwohl sie sich für den „Einer“ ebenfalls erfolgreich qualifiziert hatte. Siege im Einer-Kajak zu erringen, war einer ihrer ganz großen sportlichen Träume. Doch sie hatte keine Chance. „Im Einer ließ man mich nicht starten, weil ich nicht in der Partei war und mich auch trotz wiederholter sogenannter Kandidatengespräche nicht dazu bereit erklärte. Das war immer das Druckmittel…“ Carsta Genäuß-Kühn ist auch später kein Parteimitglied der SED geworden – sie gehört zu denjenigen Menschen, die nicht erpressbar sind und das Rückgrat haben, auch ein unmissverständliches „Nein“ zu sagen, wenn sie von etwas nicht überzeugt sind…

Carsta Kühn 1984 am Bootssteg des  SC Einheit Dresden. Quelle: https://www.dsc-archiv.de/wiki/Datei:Carsta-Kuehn.jpg. (Lizenz CC BY-NC-SA 4.0)
Carsta Kühn 1984 am Bootssteg des SC Einheit Dresden. Quelle: https://www.dsc-archiv.de/wiki/Datei:Carsta-Kuehn.jpg. (Lizenz CC BY-NC-SA 4.0)

Der Umgang mit den Sportfunktionären war also auch für Spitzenkräfte des Sports nicht immer unproblematisch und konnte durchaus ein steiniger Weg sein. Als sie sich 1982 zur Familienplanung entschloss, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen, der mit einer Auszeit während der sportlichen Saison für die Geburt des ersten Kindes einhergehen musste, kam das bei den Sportfunktionären gar nicht gut an. Der SCE-Sportchef fauchte sie in unmissverständlicher Reaktion an „Wir wollen Gold sehen!“. Diese ständigen Forderungen, verbunden mit dem Druck für Erfolge, hatten bereits zu anderen Gelegenheiten Grund für Ärgernisse bei den Sportlern gegenüber ihren Funktionären gegeben. Carsta Genäuß-Kühn, die immer überdurchschnittlichen Einsatz gezeigt hatte, beendete wütend das Gespräch mit dem Zuknallen der Vereinstür. Ein Verweis durch den Vereinschef war die Antwort – sechs Monate später stand sie, nach der Geburt ihrer Tochter Tina, als „Goldmädel“ wieder an der Spitze des Kanurennsports und holte weiterhin das gewünschte Medaillengold.

Die nächste große olympische Chance wäre für sie die geplante Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 1984 in Los Angeles gewesen, wofür sie bereits als Favoritin für eine Medaille angesehen wurde. Zu Testrennen war sie mit der DDR-Nationalmannschaft September 1983 in Los Angeles, um auf dem Lake Casitas vorolympische Wettkämpfe zu bestreiten.[i] Die berechtigte Aussicht auf erneute Titel fiel jedoch, nach umfassenden Vorbereitungen, dem Boykott der Olympischen Spiele durch die Sowjetunion mit ihren verbündeten Ostblockstaaten zum Opfer, womit einer ganzen Athletengeneration durch politische Einflussnahme die Teilnahme an den Wettkämpfen und die Chance auf Titel verwehrt wurde. Eine große Enttäuschung. Als „Ersatz“ wurde dafür in den Ländern des Ostblocks 1984 eine „Ersatz-Olympiade“ einberufen, deklariert als „Wettkämpfe der Freundschaft“, für alle Sportler aus Ländern, denen die Olympiateilnahme in den USA verwehrt worden war. Für die Kanuten war der Austragungsort in Berlin-Grünau. Carsta Kühn errang wiederum Gold als zweifache Siegerin im K2 und K4, jedoch die Enttäuschung der verpassten, ganz großen Olympia-Chance, blieb. 

1985 beendete Carsta Genäuß-Kühn ihre aktive und erfolgreiche Sportlerlaufbahn. Als Abschiedsgeschenk erhielt sie ihr JEM-Siegerboot, ein hochwertiges dänisches Holzkajak. Dafür hatte sich ihr jahrelanger Trainer Ralf Zeidler eingesetzt, der sich als „Erfolgscoach“ auch später, nach 1990, einen Namen machen sollte. 

Sie hat als Sportlerin viel erreicht, höchste staatliche Ehrungen empfangen, ob als Glückwunschtelegramme der DDR-Regierung oder als Vaterländische Verdienstorden in Gold, Silber und Bronze, Ehrenzeichen, Medaillen, Urkunden und Pokale. All das erinnert sie an große und kleine Siege, wunderbare Wettkämpfe und Begegnungen mit internationalen Sportlern auf den großen Finalläufen zu Regatten weltweit.  

Olympia-Siegerin Carsta Genäuß-Kühn und Autorin Renate Schönfuß-Krause am „Blauen Wunder“ in Dresden 2021.
Olympia-Siegerin Carsta Genäuß-Kühn und Autorin Renate Schönfuß-Krause am „Blauen Wunder“ in Dresden 2021.

Heute, bereichert mit vielen Erfahrungen und Erkenntnissen über die bestehenden Unterschiede der Sportsysteme in zwei unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen, schätzt sie in ihrer sachlichen Art ein: „Ich würde immer wieder Kanutin werden und habe diesen Schritt nie bereut. Wir wurden großartig unterstützt und gefördert, im Vergleich zur heutigen Zeit einmalig durchorganisiert – wer etwas leisten wollte und begabt war, erhielt jegliche nur denkbare Unterstützung. Nur eines gab es nicht, gegen den Strom durfte niemand paddeln…“

 

Alle Rechte bei Renate Schönfuß-Krause

 

 

Dezember 2021

 

Staatliche Auszeichnungen (Auswahl)

·         1978 Staatlicher Ehrentitel Meister des Sports

·         1982 Verleihung Vaterländischer Verdienstorden in Bronze

·         1980 Verleihung Vaterländischer Verdienstorden in Silber

·         1984 Verleihung Vaterländischer Verdienstorden in Gold 

·         1986 Verleihung Vaterländischer Verdienstorden in Gold

Literatur 

Volker Kluge: Das große Lexikon der DDR-Sportler. Die 1000 erfolgreichsten und populärsten Sportlerinnen und Sportler aus der DDR, ihre Erfolge und Biographien. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2000, ISBN 3-89602-348-9, S. 114–115.

 

Wikipedia-Tabelle: Olympiasiegerinnen im Zweier-Kajak über 500 Meter

1960: Marija Schubina, Antonina Seredina | 1964: Roswitha Esser, Annemarie Zimmermann | 1968: Roswitha Esser, Annemarie Zimmermann | 1972: Ljudmila Pinajewa, Kateryna Kuryschko | 1976: Nina Gopowa, Galina Kreft | 1980: Carsta Genäuß, Martina Bischof | 1984: Agneta Andersson, Anna Olsson | 1988: Birgit Schmidt, Anke Nothnagel | 1992: Ramona Portwich, Anke von Seck | 1996: Susanne Gunnarsson, Agneta Andersson | 2000: Birgit Fischer, Katrin Wagner | 2004: Katalin Kovács, Natasa Janics | 2008: Katalin Kovács, Natasa Janics | 2012: Franziska Weber, Tina Dietze | 2016: Gabriella Szabó, Danuta Kozák

Bildnachweise:

·      Sofern nicht anders angegeben: Alle Fotos in diesem Artikel  ©Klaus Schönfuß

·     Carsta Kühn am Bootsanleger:  https://www.dsc-archiv.de/wiki/Datei:Carsta-Kuehn.jpg.
             (Lizenz CC BY-NC-SA 4.0)

 

Hinweis: Aus der sportlichen Arbeit und der Laufbahn als Leistungssportlerin existieren viele Fotos, die jedoch urheberrechtlich geschützt sind und hier nicht veröffentlicht werden dürfen. 

Einzelnachweise und Quellen

  • Kanuverein Laubegast e.V. Dresden
  • Kanuverein Laubegast e.V. Dresden, S. 1, 1965
  • Kanuverein Laubegast e.V. Dresden, S. 3, 1970
  • Dresdner Sportclub 1898
  • Dresdner Stadtrundschau: „Man spricht von ihnen“, 1978, Seite 6/7;
  • Kanuverein Laubegast e.V. Dresden, Seite 3, 1971
  • ND-Archiv: „5 Europameistertitel DDR-Junioren im Kanurennsport auf dem Albanersee in Italien“, ND, Ausgabe vom 28.07.1975;
  • DSC Archiv.de: „Die 104 Weltmeister des Dresdner SC bzw. SC Einheit Dresden im Erwachsenenbereich, Weltmeister Kanu“;
  • Liste der ICF Canoe Sprint World Championships Women’s: 1978, 1981, 1983, 1985
  • Sport Komplett, Weltmeisterschaften (Damen Teil 5)
  • Internet-Quelle: Kanuslalom - Deutsche Meisterschaften - Sport Komplett
  • http://www.sport-komplett.de/sport-komplett/sportarten/index_sportarten.htm
  • Sächsische Neueste Nachrichten: „USA – Testrennen für Olympiade in Los Angeles“, 1. Okt.1983, Nr. 232 

Weitere Quellen:

  • Neues Deutschland, 22. August 1980, S. 3
  • Neues Deutschland, 1./2. September 1984, S. 4
  • Neues Deutschland, 19.August 1985, S.6 
  • SZ, Sport, 25. August 1980, S.7

 


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18.Januar 2022

©Renate Schönfuß-Krause