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Badescene in der Röder; Über Christoph Seydel, den Tannengrund, das Radeberger Bad und das Mohr- und Stahlbad Augustusbad
Ein Kupferstich von J. C. Klengel und G. W. Hüllmann in dem 1790 herausgegebenen Buch „Briefe über das Radeberger Bad“ und einige historische Hintergründe über den Entdecker Christoph Seydel, den Tannengrund, das Radeberger Bad, das Mohr- und Stahlbad Augustusbad sowie einige der berühmten Gäste dieses Bades, wie z.B. Gerhard von Kügelgen, Wihelm von Kügelgen, Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus, Prof. Carl August Richter, Prof. Adrian Ludwig Richter, der Schriftsteller Jean Paul, Theodor Körner und viele andere.
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Veröffentlicht in "die Radeberger"   Nr. 38  v. 23.9.2016                                


„BADESCENE IM RAEDERFLUS“ –

Damals war’s, als es die Worte „Sexy“ und „Heiß“ noch nicht gab

Nein, das heutige Vokabular „Sexy“ und „Heiß“ war 1790, dem Erscheinungsjahr des Kupferstiches „Badeszene im Röderfluss“, noch nicht geläufig. Auch der Name unseres heimischen Flusses „Röder“ wurde noch als „Raeder“ bezeichnet. Aber die anmutige Darstellung der badenden Frauen im Röderfluss ist, für die damalige Zeitepoche der beginnenden Frühromantik, schon ganz bewusst in einer sexuell-erotischen Form in Szene gesetzt worden. Und die Szenerie wirkte auch schon durchaus modern, denn in „Gottes freier Natur“ nackt zu baden, war Ende des 18. Jahrhunderts etwas sehr Mutiges, eigentlich Unmögliches, auch für Künstler, die solche Szenen für Publikationszwecke schufen und veröffentlichten.

Kupferstich von J. C. Klengel und G. W. Hüllmann, 1790
Kupferstich von J. C. Klengel und G. W. Hüllmann, 1790

Nein, das heutige Vokabular „Sexy“ und „Heiß“ war 1790, dem Erscheinungsjahr des Kupferstiches „Badeszene im Röderfluss“, noch nicht geläufig. Auch der Name unseres heimischen Flusses „Röder“ wurde noch als „Raeder“ bezeichnet. Aber die anmutige Darstellung der badenden Frauen im Röderfluss ist, für die damalige Zeitepoche der beginnenden Frühromantik, schon ganz bewusst in einer sexuell-erotischen Form in Szene gesetzt worden. Und die Szenerie wirkte auch schon durchaus modern, denn in „Gottes freier Natur“ nackt zu baden, war Ende des 18. Jahrhunderts etwas sehr Mutiges, eigentlich Unmögliches, auch für Künstler, die solche Szenen für Publikationszwecke schufen und veröffentlichten.

 

Diese waren keine Geringeren als zwei hochrangige Professoren der Allgemeinen Kunst-Akademie Dresden. Die Zeichnung zu der „Badescene im Raederflus“ stammte von dem Maler Prof. Johann Christian Klengel (1751-1824), dessen Wurzeln väterlicherseits aus Grünberg abstammten. Er war bekannt dafür, dass er „am glücklichsten war, wenn er die Natur seiner sächsichen Heimath behandelt, die er, bei schlichter Auffassung, treu wieder zu geben und durch ländliche Scenen hübsch zu staffiren versteht“. In seiner Schaffenszeit bevorzugte er in dem Genre der Idyllenmalerei „Flußlandschaften mit entzückenden Kompositionen von köstlichen malerischen Reizen“. Das war ihm mit der Darstellung der „Badescene im Raederflus“ gelungen. Die romantischen Röderlandschaften unserer unmittelbaren Umgebung, von Radeberg, Lotzdorf, Liegau, dem Seifersdorfer Tal bis hin nach Hermsdorf, kamen dabei seinem Naturgefühl offensichtlich entgegen und wurden Grundlage für eine Vielzahl seiner Schöpfungen. Er war gleichzeitig auch als Buchillustrator tätig, und nach seinen Zeichnungen wurden Tafeln und Vignetten in Kupfer gestochen, so u.a. Wilhelm Gottlieb Beckers: „Das Seifersdorfer Tal“ (1792). Sein Kollege an der Kunstakademie Dresden, Prof. Gottlieb Wilhelm Hüllmann (1765-1828), setzte die Zeichnung der idyllischen Badeszene an der Röder künstlerisch um und schuf den Kupferstich dazu.

 

Dieser wurde als ganzseitiges Bild in dem 1790 herausgegebenen Buch mit dem Titel „Briefe über das Radeberger Bad“ einem breiten Publikum bekannt gemacht. Mit Erfolg, denn als Inhalt wurde „eine vollständige Beschreibung und medicinische Nachricht von dem Bade zu Radeberg, zwey Meilen von Dresden gelegen“ vermittelt. Heute würden wir es als eine Art Werbeschrift zum Kuren bezeichnen, denn in einer fiktiven Briefform ist unterhaltsam über die „Entstehung des Bades, die Gebäude, die Bestandteile, Kräfte, Wirkung, Gebrauch, Oekonomie, Promenaden, Vergnügungen und Environs (Umgebung)“ des Kuraufenthaltes informiert worden. Aber es ging inhaltlich weit darüber hinaus, denn der Leser wurde auch mit der gesamten Gegend um das Radeberger Bad herum bekannt gemacht. Die Verbreitung dieser Schrift scheint nicht ohne Wirkung geblieben zu sein, wenn man in der Folgezeit die stetig anwachsenden Zahlen der Kurgäste vergleicht, die das Radeberger Bad auch von weit her besuchten.

 

Die Entdeckung der Quelle im ehemaligen Bergwerksstollen durch den Radeberger Bürgermeister Seydel 1717; Illustration von Oskar Seyffert; aus: Was die Heimat erzählt (Störzner)
Die Entdeckung der Quelle im ehemaligen Bergwerksstollen durch den Radeberger Bürgermeister Seydel 1717; Illustration von Oskar Seyffert; aus: Was die Heimat erzählt (Störzner)

Schon vor dem Erscheinen dieser Schrift im Jahr 1790 waren ab 1720 zahlreiche Untersuchungen und Berichte über die mineralischen Heilquellen des Radeberger Bades, den sogenannten Augustusbrunnen bzw. das Augustusbad, wie es später genannt wurde, veröffentlicht worden und hatten die Gemüter bewegt. Der Radeberger Bürgermeister Christoph Seydel (1670-1747) hatte im Jahre 1717, bei Öffnung eines seit 1584 stillgelegten Bergwerksstollens im Gebirge am Silberberg, dem Tannengrund, die Entdeckung einer mineralischen Heilwasserquelle gemacht, die später als sogenannte „Stollenquelle“ bezeichnet wurde. Ideenreich und tatkräftig wie er war, setzte er schon 1719 seine Vision in die Tat um und legte im Tannengrund eine Badeanstalt an. Die Quelle ließ er sich unter dem 4. Nov.1720 vom Bergamt zu Glashütte verleihen, auch ließ er ideenreich das Wasser unterirdisch erwärmen. 1721 baute er sein erstes Badehaus. Es gab wie immer Befürworter und Gegner, die üblichen Zweifler und, was für Seydel sicherlich am Schlimmsten war, die Neider, vor allem die in seiner eigenen Stadt Radeberg, die ihm das Leben schwer machten. So ist historisch überliefert, dass um 1720 „Die Bürgerschaft zu Radeberg, neidisch auf ihren thätigen Bürgermeister, suchte nun um Verleihung des Bades bei der Regierung an, wurde aber abgewiesen und Seydel im Besitz dessen bestätigt“. Gelehrte und Doktoren, wie Professor Dr. Lehmann aus Leipzig, Dr. Wolf zu Dresden, Dr. Budaei zu Budissin (Bautzen) untersuchten nach Bekanntwerden die Quelle und berichteten darüber. Unter „Dresden 1731“ wurde eine „Gründliche Untersuchung und Entdeckung des in dem bey der Stadt Radeberg entspringenden Augustusbrunnen befindlichen Goldes“ veröffentlicht. Auch König Friedrich August II. (August der Starke, 1670-1733) ließ das Wasser chemisch untersuchen, und nachdem sich sein Ruf als Heilwasser bestätigt hatte, „soll er es bei jeder Gelegenheit empfohlen haben“. Sicher nicht ganz ohne Eigennutz, denn zusätzliche Steuereinnahmen waren für jegliche Herrscher bisher mehr als willkommen. Außerdem „wurden mehrere tausend Eymer dieses Badewaßers nach Dresden geschaft, und nächst der Königl. und Churfürstl. Familie badeten sich viele vornehme und geringe Privatpersonen theils in ihren Wohnungen, theils im Bade selbst.“ Auf Grund der großen Aufmerksamkeit, die der König dem Quellwasser des Radeberger Bades zukommen ließ, verlieh der kluge und geschäftstüchtige Bürgermeister Seydel seinem Bad den Namen „Augustusbrunnen“, später wurde es zum „Augustusbad“.

Die ersten Mineral-Quellen im Radeberger Bad (Tannengrund):  Rechts die bereits überbaute „Stolln-Quelle“ (Nr. 1, auch „Stahlquelle“ genannt), links  überdacht die „Salzquelle“ (Nr. 2)
Die ersten Mineral-Quellen im Radeberger Bad (Tannengrund): Rechts die bereits überbaute „Stolln-Quelle“ (Nr. 1, auch „Stahlquelle“ genannt), links überdacht die „Salzquelle“ (Nr. 2)

Was der Radeberger Bürgermeister Seydel letztendlich wirklich alles mit seinem Heilbad in Gang gebracht hat, zeigt die weitere positive Entwicklung der Stadt Radeberg und der Dörfer Lotzdorf und Liegau. Sie alle profitierten vom Kurbetrieb und dem Bekanntwerden der gesamten Region. Radeberg erhielt das Privileg, für die Absicherung des Kurbetriebes alle Back- und Fleischwaren zu liefern sowie Radeberger Bier, Wein und Branntwein. Die Radeberger Stadtkirche hielt mit ihren beiden Diakonen jeden Sonntag den Gottesdienst in dem Betsaal des Augustusbades, der Schulmeister zu Lotzdorf fungierte als Kantor. Außerdem war vertraglich vereinbart worden, Radeberger Bürgern das kostenlose Baden jederzeit zu ermöglichen. Dafür mussten immer zwei Wannen frei gehalten werden. Das Dorf Liegau entwickelte sich, durch seine Nähe und günstige Lage zu dem Augustusbad, im Laufe der Zeit immer stärker zu einem noblen Kurort, der sich ausbreitete und vergrößerte – auch bis an die unmittelbare Ortsgrenze zu Lotzdorf. Dieses Dorf wiederum trat ebenfalls mit seiner romantischen Lage an der Röder und den Sonnenhängen an der Gebirgsseite in das Blickfeld der vielen Kurgäste und wurde gern für Übernachtungen genutzt. Überliefert ist u.a., dass der Bauer Schütze aus Lotzdorf der einzige privilegierte Milchlieferant für das Augustusbad gewesen ist.

 

Die Gesamt-Anlage des Augustusbades (ca. 1908; nicht maßstabsgerecht).   Oben: Bethlehemstift und Luisenhof auf dem Silberberg, li. unten Schweizerhaus an der Straße nach Seifersdorf, li. oben: Schwanenteich mit Eremitage, unten Mitte: Palais-Hotel
Die Gesamt-Anlage des Augustusbades (ca. 1908; nicht maßstabsgerecht). Oben: Bethlehemstift und Luisenhof auf dem Silberberg, li. unten Schweizerhaus an der Straße nach Seifersdorf, li. oben: Schwanenteich mit Eremitage, unten Mitte: Palais-Hotel

Das Bad mit seinen Kuranlagen wurde in immer größerem Umfang frequentiert. Im Jahr 1768 entdeckte man am Fuße des Gebirges eine weitere Wasserader, die aus drei Quellen bestand, „die im Tannengrunde entspringen, ohnweit Lützdorf (Lotzdorf), einem turfigen Wiesenmoor, der den Gneis (Gesteinsart) bedeckt.“ Diese mineralischen Wasser waren noch kräftiger und wirksamer als die von der ersten Quelle. Die im Bad beschäftigten erfahrenen Ärzte setzten nun, mit entsprechenden Mischungsverhältnissen der unterschiedlichen Quellwasser, für jeden Patienten das richtige Verhältnis der Anwendungen fest. Gebadet wurde unspektakulär in schlichten Wannen, manchmal bei Überbelegungen nur in Holzzubern, und manch ein männlicher Kurgast wird wehmütig der „Badescene im Raederflus“ in der Werbeschrift gedacht haben, wo so verlockend die nackten Schönheiten gezeigt worden waren. Die Bekanntgaben der „großen Liste mit sehr vielen Beispielen von gichtischen Gliederkranken, und nervenschwachen Personen, die den Kräften dieses Bades öfters gänzliche Herstellung ihrer Gesundheit zu danken haben“, trugen dazu bei, den Zuspruch des Bades weiter zu untermauern. Zum Erfolg des Kurbades trugen auch die sich immer mehr erweiternden Kur- und Badehäuser, die schön angelegten Promenaden im Kurgelände, die Lustbarkeiten und Zerstreuungen mit Theateraufführungen, Konzerten, gemeinsamen Wanderungen an dem „Raederflus“ entlang, ob zum Buttermilchtrinken in das Rittergut Liegau, an der Röder nach Lotzdorf oder über den Silberberg nach Radeberg, auch nach Wachau, dem Friedrichsthal und dem bereits berühmten Seifersdorfer Tal bei.

 

Der „Schwanenteich“  im Tannengrund, talwärts gesehen;  links halb verdeckt: die "Eremitage"
Der „Schwanenteich“ im Tannengrund, talwärts gesehen; links halb verdeckt: die "Eremitage"

Durch die außergewöhnlich romantische Lage des Bades im Tannengrund, das unter der Jurisdiktion des Amtes Radeberg stand (örtliche Zuständigkeit), wurde es weithin populär. Die bereitgestellten Wohnungen und Zimmer in der Kuranlage reichten oft nicht aus, um alle Badelustigen aufzunehmen, was einen Glücksumstand mit einem zusätzlichen Gelderwerb für das Nahe Dorf Liegau (Dorf im Dresdner Amtsbezirk) und Lotzdorf (Radeberger Amtsdorf) bedeutete. Es wurde daher empfohlen, mehrere Monate vor der Badekur ein Quartier zu bestellen, und so gefiel es auch vielen Badegästen, sich in den stillen Dörfern, die jeweils nur 15 Minuten Wegstrecke vom Radeberger Bad entfernt lagen, einzumieten. Viele prominente Persönlichkeiten besuchten regelmäßig das Bad, z.B. weilte der Portrait- und Historienmaler Gerhard von Kügelgen (1772-1820) ab dem Jahr 1808 mehrere Jahre, jeweils in den gesamten Sommermonaten, mit seiner kränkelnden Frau und den drei Kindern in Lotzdorf und man wanderte am Röderfluss entlang nach dem Augustusbad zur Badekur. Sein Sohn Wilhelm von Kügelgen (1802-1867) verarbeitete diese Erlebnisse in seinem Buch „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ (s. Beitrag in „die Radeberger“ Nr. 27 v. 8. Juli 2016). Die prominenten Kurgäste, wie die „von Kügelgen“, zogen auch ihre Freunde und weitere Professoren der Kunstakademie Dresden in das Bad bzw. nach Lotzdorf und Liegau. Große Namen sind dafür verbürgt: Caspar David Friedrich (1774-1840) als bedeutendster Maler der deutschen Frühromantik, der Universalgelehrte, Mediziner und Maler Carl Gustav Carus (1789-1869), ebenso der in Wachau geborene und dort aufgewachsene Zeichner und Kupferstecher, Prof. Carl August Richter (1770-1848) und sein Sohn, der Maler der Spätromantik Prof. Adrian Ludwig Richter (1803-1884), oder der deutsche Schriftsteller Jean Paul (1763-1825). Aber auch der dramatische Dichter der Freiheitsbewegung gegen Napoleon und ab 1813 freiwilliger Kämpfer der Lützowschen Freischar, Theodor Körner (1791-1813), besuchte auf seinen Wanderungen mit Studienfreunden von Dresden aus die Stadt Radeberg. Die schöne Umgebung der Stadt begeisterte ihn. Nach einer Wanderung durch das romantische Seifersdorfer Tal besuchten sie am 22. Juli 1809 das Augustusbad, wobei sie sich besonders für die Reste der alten verfallenen Halden aus den Zeiten des Bergbaues interessierten. Sie alle waren Studenten an der Bergakademie Freiberg, und der Auftritt der jungen Leute in Bergmannstracht hatte, nach seinen Wanderberichten zu urteilen, offensichtlich ordentlich für Aufsehen unter den Badegästen gesorgt. In der frischen und unbekümmerter Art der Jugend stellte der 18-jährige Körner noch fest: „Als wir uns die schönen Spaziergänge und die artigen Weiber und Mädchen genugsam besehen hatten (…), wanderten wir am nächsten Tag zum Keulenberg mit seiner wunderschönen Aussicht.“

 

Das „Mohr- und Stahlbad Augustusbad über Radeberg“;  um 1930
Das „Mohr- und Stahlbad Augustusbad über Radeberg“; um 1930

Auch ihm und seinen Studienfreunden scheint es bei ihrem Aufenthalt im Augustusbad nicht vergönnt gewesen zu sein, die „Badescene im Raederflus“ in natura mit den vielleicht nicht ganz so artigen, aber wunderschönen Weibern und Mädchen zu erleben – Theodor Körner verlor sein junges Leben am 26. August 1813 bei den Kämpfen um Gadebusch im Alter von nur zweiundzwanzig Jahren.

 

 

Quellenangabe:

·        Briefe über das Radeberger Bad, Dresden,

        gedruckt bey Carl Christian Meinhold, 1790

·          Joh. Carl Freiesleben: Magazin für die Oryktographie von Sachsen, Band 10,

        Freyberg bey J.G.Engelhardt, 1839

·         Leipziger Intelligenzblätter, Nr.29, 1789

·         Radeberger Zeitung, 15. Jan. 1938, Nr.173, S.690