800 Jahre Radeberg, Geschichte - Stadtgeschichte:

Knobloch - Eine Radeberger Kaufmanns- und Politiker-Dynastie über 150 Jahre

Die neuesten Forschungen zu dieser Arbeit belegen, dass die Geschichte der Knobloch-Dynastie in Radeberg früher begann als bisher bekannt war und dokumentiert wurde. Hier lesen Sie die anlässlich "800 Jahre Ersterwähnung Radeberg" im Juni 2019 überarbeitete Fassung.


Nachfolgender Beitrag über das Leben und Wirken einer Familien-Dynastie von Kaufleuten und Politikern, die über 150 Jahre das gesellschaftliche Leben und die Stadtentwicklung von Radeberg und darüber hinaus im Sächsischen Landtag wesentlich mitbestimmt hat,  ist in leicht abgewandelter Form im Oktober 2016 in Heft 14 der "Radeberger Blätter zur Stadtgeschichte"  veröffentlicht worden. 

 

 

Der Beitrag wurde 2019 in erweiterter Form veröffentlicht in:

"Familie und Geschichte" - Hefte für Familiengeschichtsforschung im sächsisch-thüringischen Raum. Band X, 28. Jahrgang. Heft 1 - 2, Januar - Juni 2019, lfd. Nr. 108-109.

VERLAG DEGENER & CO. INHABER MANFRED DREISS. Am Brühl 9. 91610 Insingen bei Rothenburg ob der Tauber.

 

Darüber hinaus wird der Beitrag demnächst veröffentlicht in:  

"die Radeberger";  Unabhängige Heimatzeitung mit Amtsnachrichten,

         als Fortsetzungsreihe


Die Familie Knobloch

 

Ernst Ludwig Langbein (1733-1824), Radeberger Justiz-Amtmann und Vater des Dichters August Ernst Friedrich Langbein (1757-1835), hatte in seiner von 1756 bis 1818 währenden Amtszeit auch seltsame und langwierige Prozesse zu führen. Am 25. Mai 1770 erhielt er eine als Anfrage deklarierte Anzeige des Fleischhauer-Handwerks, vertreten durch dessen Oberältesten Zeubel, ob es rechtens sei, dass der hiesige Gasthofs-Pächter Vieh aufkaufen und Hausschlachtungen vornehmen darf und ob er dafür extra einen Fleischhauer in seinen Dienst nehmen dürfe oder gar müsse. Mit deutscher Gründlichkeit wurden Listen über „unerlaubte Hausschlachtungen“ und somit nicht entrichtete Fleisch-Steuern erarbeitet, Eide geleistet, Für und Wider behandelt. Schließlich ist das Ganze nach über 8 Jahren im August 1778 mit einem 22-seitigen Bericht Langbeins an die vorgesetzte „Churfürstliche Durchlaucht...“ abgeschlossen worden.

Wer war der „Beschuldigte“? Am 22. März 1769 hatte „...der hiesige Gasthofs-Pachter Johann George Knobloch...“ den Eid auf die Einhaltung der Vorschriften zum Beherbergungs- und Meldewesen abgelegt, beurkundet von den zwei Senatoren J. G. Büttner und G. L. Scheller, dem Stadtrichter Ch. G. Tritzschler und dem Stadtschreiber J. I. Iphoff. Diese Urkunde (s. Ausschnitt links) ist der bisher älteste bekannte Beleg über das Auftreten des Namens Knobloch in Radeberg. Somit beginnt also die Geschichte dieser Kaufmanns-Dynastie in Radeberg bereits 1769 mit Johann George Knobloch, und nicht erst, wie bisher allgemein beschrieben, mit Karl Christoph Knobloch. In der Historie der Radeberger Gastwirte fehlt dieser bisher nirgends erwähnte Johann George Knobloch, denn zu dieser Zeit gab es neben der von der „Kellerpächter-Familie“ Büttner über 66 Jahre (1769-1835) geführten „Keller-Wirtschaft“ im Rathaus nur die am 21. 8. 1683 gegründete „Grüne Tanne“ als einzigen Gasthof (später „Stadtkeller“ und „Ratskeller“, im Haus Markt 1).

Damit ist belegt, dass die Geschichte der Knobloch-Dynastie in Radeberg früher begann als bisher bekannt war und dokumentiert wurde.

 

Die Familie

Natürlich sind die Angehörigen einer Familie, ihr Leben, ihre Stellung in der Gesellschaft und ihre Erwerbstätigkeit generationsübergreifend immer als Ganzheit zu betrachten und untrennbar. Zur besseren Übersicht sollen in diesem Abschnitt jedoch nur die genealogischen Zusammenhänge derjenigen Familien-Mitglieder kurz dargestellt werden, die geschäftlich und kommunalpolitisch für Radeberg und für das damalige Kurfürstentum bzw. Königreich Sachsen bedeutsam waren. Eine vollständige Wiedergabe aller vorliegenden Familien-Daten würde das Thema und den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

Am 27.  Februar 1741 wurde im Oberlausitzer Kirchdorf Steinigtwolmsdorf dem für die Amtshauptmannschaft Bautzen tätigen „Churfürstl. Sächs. General- und Land Accise-Einnehmer“ Tobias Knoblauch ein Sohn geboren, der Johann George getauft wurde. Dieser zog nach Radeberg, erwarb das Bürgerrecht, wurde „Accis-Visitator“ (Steuer-Einnehmer) und Gastwirt. Am 15. Mai 1768 heiratete er, inzwischen hatte er seinen Nachnamen in „Knobloch“ geändert, in Großerkmannsdorf Maria Dorothea Rüdel (auch Riedel genannt, * 3.10.1748, + 22.4.1824). Dieser Ehe entstammen 4 Kinder: Johanna Christiane verehel. Kern (* 16.3.1770), Karl Christoph (* 24.5.1774), Christiane Charlotte (* 5.2.1777, im gleichen Jahr verstorben) und Johann Gottlieb Leberecht (* 6.8.1778) sowie 1771 eine totgeborene Tochter.

Die "Pirnaische Gasse", heute Pirnaer Straße, vom Markt aus gesehen. Das erste Knoblochsche Haus Nr. 3 ist auf der linken Seite das Haus mit den Markisen. Auf der Abb. ist es bereits als späteres "Kaufhaus Grotfeld" aufgestockt.
Die "Pirnaische Gasse", heute Pirnaer Straße, vom Markt aus gesehen. Das erste Knoblochsche Haus Nr. 3 ist auf der linken Seite das Haus mit den Markisen. Auf der Abb. ist es bereits als späteres "Kaufhaus Grotfeld" aufgestockt.

Bereits 1792 ließ „...der Accis Visitator Johann George Knobloch, auf der Pirnaischen Gasse, ...ganz masiv an die Stelle ihrer den Einsturtz drohenten alten baufälligen Häuser von Grund aus ...“ ein neues 2-stöckiges Haus bauen, das die Cat.-Nr. 55 erhielt und bis 1844, als sein Enkel Carl Alexander das Haus Hauptstraße 16 (Cat.-Nr. 109, heute Haus-Nr. 14) kaufte, als das „Knoblochsche Haus“ bezeichnet wurde (spätere Pirnaer Str. 3 bzw. 5). Ab 1791 hatte Johann George Knobloch neben seinem Grundbesitz auch Felder an der Pulsnitzer Straße gepachtet. Er wurde als „Kaufmann, Bürger und Feldbesitzer“ geführt. Mit dieser materiellen Basis und seiner gesellschaftlichen Position ist Johann George Knobloch der wirkliche Begründer der „Knobloch-Dynastie“ in Radeberg. Er verstarb am 12.10.1812 in Radeberg, seine Grabstelle ist heute unbekannt.

(Das Sterbejahr 1818 muss richtig 1848 heißen)
(Das Sterbejahr 1818 muss richtig 1848 heißen)

Karl Christoph Knobloch (auch Carl geschrieben), Johann Georges erster Sohn, geb. am 24.5.1774 in Radeberg, heiratete am 13.2.1804 in der Kirche zu St. Petri in Bautzen die am 19.7.1784 in Bautzen geborene Maria Dorothea Seyfert, Tochter des Bürgers und Oberältesten der Bautzener Weißbäcker Gottlob Friedrich Seyfert. Karl Christoph wurde bereits in der Bautzener Trauungs-Urkunde als „Bürger, Kauf- und Handelsmann in Radeberg“ eingetragen, hatte es also mit nur 29 Jahren recht weit gebracht. Der Ehe entstammten 7 Söhne und 7 Töchter. Karl Christoph verstarb am 12.5.1848 (das auf dem Epitaph an der Radeberger Stadtkirche angegebene Jahr 1818 ist falsch) und seine Witwe Maria Dorothea kurz darauf am 7.11.1848, beide in Radeberg.

Carl Alexander Knobloch, um 1873
Carl Alexander Knobloch, um 1873

Carl Alexander Knobloch, geb. am 10.3.1807 in Radeberg, war das dritte von 14 Kindern aus der Ehe des Karl Christoph Knobloch. Nach dem Schulbesuch wurde er gezielt zum Kaufmann ausgebildet. Er ging auf der Dresdner Webergasse bei Kaufmann Theodor Borott in die Lehre und anschließend bei Kaufmann Urban in Bautzen. In Cottbus bei Keyling & Co. holte er sich die praktischen Erfahrungen, um in Radeberg das kaufmännische Erbe seines Vaters anzutreten. Erst mit 44 Jahren, am 29.5.1851, heiratete er die 25-jährige Emma Therese Schulze, geb. am 31.12.1825 in Radeberg, Tochter des August Friedrich Wilhelm Schulze, Amtsverweser (Statthalter) im Königl. Justizamt. Der Ehe entstammen 2 Söhne, Georg Friedrich Alexander und Carl Wilhelm Hermann.

Carl Alexander Knobloch verstarb als „Kaufmann, Stadtältester und Stadtrath...“ am 2.8.1878 nach 4-wöchigem Krankenlager, seine Witwe am 23.6.1880. Beider Grabstätte am östlichen Ende der Evangelisch-Lutherischen Stadtkirche Radeberg ziert ein stattlicher und würdiger Epitaph aus Sandstein mit Marmorplatten.

 

Georg Friedrich Alexander Knobloch, 1912
Georg Friedrich Alexander Knobloch, 1912

Georg Friedrich Alexander Knobloch, Carl Alexander Knoblochs erster Sohn, geb. am 29.12.1853 in Radeberg, erhielt ebenfalls eine gediegene Ausbildung zum Kaufmann. Er heiratete am 16.7.1879 Jenny Emilie Therese Boenicke, geb. am 15.1.1857 in St. Petersburg. Beider Tochter Margarethe Jenny Knobloch, geb. 21.8.1880, heiratete 1903 in 1. Ehe Walter Moritz Claus (* 20.12.1873) und hatte mit ihm 2 Töchter. In ihrer 2. Ehe heiratete sie 1917 den in Ronneburg geborenen, aber aus einer hochdotierten Altenburger Familie stammenden Kaufmann und „Königl. Preuß. Hauptmann d.R. a.D.“ Johannes Moritz Kurt Vogel, geb. 21.10.1877, Sohn des Altenburgischen Postministers und Kaiserl. Rechnungsrats Christian Friedrich Vogel. Das Ehepaar Vogel verzog nach dem 2. Weltkrieg mit seinem einzigen Sohn Hans-Joachim (* 2.6.1918 in Radeberg) nach Berchtesgaden. Johannes Moritz Kurt Vogel verstarb 1966, Margarethe Jenny geb. Knobloch 1973. Beide sind auf dem Radeberger Friedhof in der repräsentativen Gruft-Anlage Knobloch/Vogel beigesetzt worden.

Georg Friedrich Alexander Knoblochs Sohn Alexander Georg wurde am 23.1.1888 geboren und verstarb schon im 3. Lebensjahr am 4.1.1891.

Carl Wilhelm Hermann Knobloch, Carl Alexander Knoblochs zweiter Sohn, geb. am 8.12.1857 in Radeberg, wurde ebenfalls Kaufmann und war nach des Vaters Tod zeitweilig, gemeinsam mit seinem Bruder Georg Friedrich Alexander, Mitinhaber der Weinhandlung, bis er 1903 endgültig aus der Firma ausschied. Er hatte mit seiner Frau Amalie geb. Hutzler (1868-1911) zwei Töchter (Charlotte Emma Anna verehel. Michaelis, geb. 1887, und Dorothea Emilie Marie verehel. Fischer, geb. 1888) und einen Sohn Hermann Arthur Knobloch, geb. 26.2.1892, gefallen im Ersten Weltkrieg am 10.9.1914.

Mit dessen Tod und dem späteren Tod seines Onkels Georg Friedrich Alexander Knobloch am 1.3.1923 war die männliche Linie der Radeberger Kaufmannsfamilie Knobloch nach ca. 155 Jahren erloschen. Recherchen zu den Lebenswegen des zweiten Sohnes von Johann Georg Knobloch und zu den anderen 6 Söhnen von Karl Christoph Knobloch sind nicht Gegenstand dieser Arbeit, weil sie für die Historie der Weinhandlung und für die Radeberger Kommunalpolitik keine Verbindungen und Anhaltspunkte geben.

 

Geschäfte und Politik

Johann George Knobloch und sein Sohn Karl Christoph waren auch „Kaufleute und Handelsmänner“, aber womit sie handelten, ist - im Gegensatz zu ihren Nachkommen - nirgends erwähnt. Zu Beginn des industriellen Zeitalters Ende 18./Anfang 19. Jahrhundert bildeten sich mit den Industriezweigen auch die zugehörigen speziellen Handelsnetze und -wege heraus. Es gab in der Regel keine „Sortimente“ oder „Geschäftsfelder“ im heutigen Sinne, sondern gemäß der generellen Kaufmanns-Maxime „Aufkaufen zu günstigsten Preisen und schnelles Verkaufen zu höchstmöglichen Preisen“ dürften auch diese beiden Herren gehandelt und sich damit Ansehen und Einfluss in Radeberg erarbeitet haben. Johann George hatte darüber hinaus als Steuer-Einnehmer (Accis-Visitator) festgelegte Anteile als Zusatzeinkommen. Sein Sohn Karl Christoph hatte in der Radeberger Steuerliste von 1844 immerhin ein Einkommen im „Vorderfeld der Hochverdiener“ Radebergs. Das muss jedoch wie folgt kritisch bewertet werden: Karl Christoph war der erste „Knobloch“, der aktiv als Kommunalpolitiker tätig war. Er hatte sich ein solch hohes Ansehen erworben, dass er 1814 in den Stadtrat zum „Gemeindeältesten“ gewählt worden war. In der Chronik findet sich unter dem Jahr 1827 der bedeutsame Eintrag „Den 18. April wurde ... der Viertelsmstr. und gew. Kaufmann Carl Christoph Knobloch ... zum Senator erwählet.“ Das „gew. Kaufmann...“ heißt, dass Karl Christoph 1827 ein „gewesener“ Kaufmann war. Weil er 1827 aber noch lebte, musste er also seine Geschäfte abgegeben haben. Sein Sohn, der fertig ausgebildete Kaufmann Carl Alexander, wurde um 1827 volljährig und hatte also da die Geschäfte seines Vaters übernommen. Damit ist der Einstieg des später sehr erfolgreichen Carl Alexander Knobloch in das Radeberger Geschäftsleben mit dem Jahr 1827 zeitlich definiert. Vater Karl Christoph, gewissermaßen im „beruflichen Ruhestand“, widmete sich nun voll den Aufgaben der Stadtverwaltung. Am 28.11.1833 wurde er zum „Zweiten Besoldeten Rathmann“ gewählt. Dieser „Sold“ bzw. dieses Einkommen führte zu der vorgenannten Einstufung in der Steuerliste.

 

Was bedeutet „Viertelsmeister“? Die Landsteuerordnung von 1674 unterschied für Radeberg nicht mehr „Innere Stadt und Vorstädte“, sondern 4 territorial gegliederte Viertel, jedem stand ein „Viertelsmeister“ vor. Der Stadtrat bestand aus 2 Bürgermeistern, 1 Stadtrichter, 2 Senatoren und 4 Viertelsmeistern, auch Kommunvorsteher oder Gemeindeälteste genannt. Erst 1831 gab es mit der neuen Allgemeinen Städteordnung für Sachsen dazu Veränderungen (u.a. nur noch 1 Bürgermeister).

Der junge Carl Alexander Knobloch baute sich ein neues Geschäftsfeld auf. Was könnte in einer Garnisonsstadt wie Radeberg gefragt sein? 1832 kam eine neue Brigade Reitender Artillerie mit 161 Mann und 142 Pferden nach Radeberg. Die Offiziere wohnten „privat“ in der Stadt und wollten da standesgemäß versorgt und betreut werden und „unter sich“ sein. Gaststätten bzw. Schankwirtschaften waren rar. Carl Alexander hatte die richtige Geschäftsidee und wollte für die „Gutbetuchten“ eine Weinstube mit dem „Angebot von Spezialitäten für gehobenere Ansprüche“ gründen, hatte aber im Knoblochschen Haus auf der Pirnaischen Gasse keine Räumlichkeiten dafür. Schließlich mietete er für 25 Reichsthaler die rechte Seite des Erdgeschosses sowie Keller und 1 Gewölbe im Eckhaus Nr. 109 Dresdner Gasse - Kirchgasse (später Hauptstraße 16, heute 14), das dem Lichtenberger Lehnrichter Beck gehörte (vorher bis 1832 dem darin tödlich verunfallten ehemaligen Senator und Kirchenvorsteher Friedrich Gottlob Klette).

Das "Knoblochsche Haus" Hauptstraße 16 / Ecke Kirchstraße, Rechts anschließend (vor der Kirche) das spätere 2. Knoblochsche Haus Kirchstraße 1. Originalbild von 1853.
Das "Knoblochsche Haus" Hauptstraße 16 / Ecke Kirchstraße, Rechts anschließend (vor der Kirche) das spätere 2. Knoblochsche Haus Kirchstraße 1. Originalbild von 1853.

Am 25.Oktober 1835 eröffnete Carl Alexander Knobloch darin „...2 neue Weinstuben mit in & ausländischen Weinen verbunden mit Delicateßwaren. Bei den zahlreichen Offizieren wurde dadurch neue längstgefühlten Bedürfniß Rechnung getragen, als der Garnison Commdt Major Probsthain selbst die Concession dazu bewirckte.“

 

Knobloch firmierte unter „C.A. Knobloch Weinhandlung“, d.h. als Großhändler, und brauchte Absatzgebiete. Weil ab 1834 mit der Gründung des Deutschen Zollvereins wesentliche Vereinfachungen im Handel zwischen den Staaten des Deutschen Bundes wirksam wurden, versuchte der sehr rührige C.A. Knobloch, in Preußen einen neuen Markt zu finden, und „Hr A Knobloch hatte nichts Eiligeres zu thun als mit einigen Proben Meißnerwein in der Tasche die Niederlausitz bis hinter Cotbus die Städte zu Fuße zu bereisen. Um den sächsischen Weinen mehr Eingang von hier aus zu verschaffen, lies Hr A K zuvor eine Weinkarte litographiren, wo Radeberg als Weingegend dargestellt wird. Die Anhöhen von der Herrmühle bis zur Ulbrichtsmühle rechter Hand, welche mit Strauchwerck & Kiefern bewachsen, waren auf der Karte als Weinberge dargestellt, und auf der Röder segelten mit Weingebinden beladene Kähne.“ Knobloch hatte ideenreich die Gegend „An den Leithen“ grafisch etwas umgestaltet - und es half. Seine Erfahrungen als Reisender im Weingeschäft und seine zusätzliche Ausbildung zum Küfer zahlten sich mit sehr guter Auftragslage aus, so dass er später für die Niederlausitz einen Handels-Reisenden und für den erzgebirgischen Raum einen Agenten in Freiberg einstellte.

Die Knoblochsche Weinstube entwickelte sich schnell zum Stammhaus der Honoratioren Radebergs und der umliegenden Dörfer, in dem Höhepunkte und besondere Ereignisse des gesellschaftlichen Lebens begangen wurden. Im Festgedicht anlässlich des 88. Geburtstages des ehemaligen Bürgermeisters und Stammgastes J. F. Balthasar Thieme am 4.1.1839 wurde extra ein Vers darauf eingefügt, denn „...Allabendlich besuche der alte Herr die Weinstube des Hr A Knobloch, tranck da sein Töpfchen Beirischbier nebst ein Gläschen Korn und aß dazu eine Pfefferkuchenzunge.“

Hausbesitzer Beck, die gute Geschäftsentwicklung beobachtend, schraubte die Miete bis auf 60 Reichsthaler hoch. Knobloch wollte das Haus kaufen, brauchte dafür aber einen Geldgeber. Im Kleinwolmsdorfer Erblehn-Richter und Lehnguts-Besitzer Johann Gotthelf Hübner fand er diesen. Mit dessen Unterstützung wurde am 8.12.1844 schließlich der Kauf des großen Eckhauses für 5.250 Reichsthaler vollzogen. Knobloch machte keinen Hehl aus seiner Dankbarkeit, Hübner wurde einer von Knoblochs Ehrengästen mit gewidmetem „Ehrenstuhl“ in der Weinstube. Knobloch baute um und ließ 1846 vor dem Haus eine Terrasse anlegen. Schließlich wurde dieses Haus umgangssprachlich bis in die heutige Zeit zum „Knoblochschen Haus“.

Das reichte ihm noch lange nicht. Am 18.12.1846 beantragte er beim Stadtrat, „...neben seiner italienischen Warenhandlung und dem ihm durch Verordnung der Kgl. Hohen Kreisdirektion zu Dresden vom 20. April 1838 gestatteten Ausschank fremder, nicht in hiesiger Stadt gebrauter Biere und feiner Liköre eine Restauration zu errichten, in welcher er ... auch Kaffee, Tee und einfaches, namentlich in der hiesigen Stadtbrauerei gebrautes Bier verschenken und warme Speisen als Kotelett, Beefsteak, Frankfurter Bratwürstchen etc. verabreichen könne.“ Den Ausschank hiesigen Bieres wollte die hiesige Braukommun aus Wettbewerbsgründen verhindern. Das jahrelange Hickhack ist in der Stadtakte 1231 dokumentiert, in der darüber hinaus interessante Einzelheiten zum Brau- und Schankwesen - am Exempel Knobloch - ablesbar sind (diese Akten-Analyse wurde dankenswerterweise von Hr. Gunter Stresow bereitgestellt). Schließlich kommt es nach Entscheidungen der Königlich Sächsischen Kreis-Direktion zu Dresden doch zu dieser „Knoblochschen Restauration“ im linken Teil des Hauses.

C.A. Knobloch wurde auch selbst im gesellschaftlichen Leben Radebergs aktiv. Seine Weinstube war Stammlokal der Garnisons-Offiziere, viele von Adel, wodurch viele Verbindungen entstanden. Zur Gründung der „Jäger Companie Radeberg“ im August 1838 wurde er sofort „Oberjäger“. Er entwickelte die enge Verbundenheit seiner Familie zum Sächsischen Königshaus der Wettiner weiter und hatte oft direkte Kontakte.

Prinz Georg von Sachsen (Quelle: Wikimedia, gemeinfrei)
Prinz Georg von Sachsen (Quelle: Wikimedia, gemeinfrei)

Vom 28.5.1852 bis 30.10.1853 leistete Prinz Georg (1832-1904, ab 1902 König von Sachsen), seinen Militärdienst als Leutnant und später als Hauptmann der Reitenden Artillerie in der Radeberger Garnison und wohnte im Knoblochschen Hause. Georgs Königliche Verwandte besuchten ihn oft und nahmen Herberge bei Knobloch. 1851 war König Friedrich August II. (1797-1854) anlässlich einer Jagd im Hause Knobloch abgestiegen.

Als Zeichen der Verehrung und Anerkennung hatte der Stadtrat Radeberg am 1. Oktober 1853 "Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Georg, Herzog zu Sachsen, auf Grund von § 59 der allgemeinen Städteordnung für das Königreich Sachsen das Ehrenbürgerrecht ertheilet und Höchstdessen Namen dem Verzeichnisse der Bürger Radebergs einverleibet..." (Akte 4051 StA Radeberg) .

Am 6.7.1867 und am 17.6.1875 inspizierte Prinz Georg die hiesige Garnison und besuchte seinen früheren Wirt C.A. Knobloch, und im September 1868 weilte König Johann (1801-1873) anlässlich eines Manövers „zum Dinner bei Knobloch“, der inzwischen „Stadtältester“ geworden war.

Die bronzene Gedenktafel m Knoblochschen Haus (ca. 1 m x 0,5 m)
Die bronzene Gedenktafel m Knoblochschen Haus (ca. 1 m x 0,5 m)

Seine tiefe und aufrichtige Verehrung für das Königshaus brachte Knobloch anlässlich des 50. Ehejubiläums von König Johann 1872 in Form einer bronzenen Gedenktafel an seinem Hause zum Ausdruck. Die Tafel wurde nach Kriegsende 1945 von Knoblochs Nachfahren entfernt, aber sicher aufbewahrt und nach der grundlegenden Sanierung des Gebäudes um 2010 an der Seite zur Kirchstraße wieder angebracht.

Das Knoblochsche Haus war auch Ort für Veranstaltungen im „kleineren Kreis der Honoratioren“, dafür stellte C.A. auch die 1. Etage seines Hauses zur Verfügung, z.B. für eine große, künstlerisch ausgestaltete „Goethe-Feier anlässlich des 100. Geburtstages“ im August 1849. Zum 25. Jubiläum seiner Weinhandlung am 31.10.1860 gab er ein großes Fest mit 37 Gästen, ähnlich beim 50. Jubiläum, seine Stammgäste richteten bei ihm Feiern aus und und und...

Die "Tafelrunde" der Honoratioren der Stadt Radeberg in der Weinstube von C. A. Knobloch. Hist. Foto um 1873 (Museum Schloss Klippenstein Radeberg)
Die "Tafelrunde" der Honoratioren der Stadt Radeberg in der Weinstube von C. A. Knobloch. Hist. Foto um 1873 (Museum Schloss Klippenstein Radeberg)

 

In einem überregionalen Beitrag über Radeberg charakterisierte der Historiker Clemens Pfietzmann 1912 im Dresdner „Salonblatt“ das folgendermaßen: „...Eine gewisse Berühmtheit hatte die "Tafelrunde" der Knoblochschen Weinstube. Trefflicher Humor beseelte die Tafelrunde, die sich dort mit jener echt kleinstädtischen Pünktlichkeit zum Abendschoppen zusammenfand, die sie auch im geschäftlichen Leben auszeichnete...“

Das festlich geschmückte Haus am 12.11.1866, rechts C. A. Knobloch mit Ehefrau Emma Therese.  Dieses Foto ist wahrscheinlich eins der ältesten von Radeberg.
Das festlich geschmückte Haus am 12.11.1866, rechts C. A. Knobloch mit Ehefrau Emma Therese. Dieses Foto ist wahrscheinlich eins der ältesten von Radeberg.

Ein städtisches Großereignis wurde am 11./12.11.1866 die begeistert gefeierte nächtliche Rückkehr der Truppen der Radeberger Garnison aus der Schlacht bei Königgrätz, obwohl ja Sachsen als Verbündeter Österreichs mit auf der Verliererseite stand. Die Radeberger Zeitung „Echo“ widmete dem Ereignis Beiträge in mehreren Ausgaben und schrieb u.a.: „In herrlichstem Lichte strahlte das Haus des Herrn Stadtältesten Knobloch, vor welchem Kienfeuer leuchteten und über dessen Hausthür ein imposantes Königl. Sächs. Wappen mit den Löwen strahlte...“ ...und eine Kanone prangte.

Stadtverordnetenvorsteher Armin Schreiber (ganz links im Bild) hielt die "Bewillkommnungsansprache".

 

Knoblochs Weinstube und seine Weinhandlung waren aus der Radeberger Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Diese unbedingte Loyalität der Knoblochs verhalf sicherlich mit zu der hohen Anerkennung, dass die Weinhandlung den Status „Königl. Sächsischer Hoflieferant“ verliehen bekam und auch nach 1918 die Geschäftspapiere mit berechtigtem Stolz auf diesen ehemaligen Titel verweisen konnten.

Das Haus Hauptstraße 16 hatte zwar große Keller, aber für eine Großhandlung nicht groß genug. Wo waren also die Lagerräume? Auf dem Freudenberg befand sich zwischen dem südlichen Ende der Scheunenreihe und der Reitbahnhalle ein 50 Quadratmeter großer, Jahrhunderte alter Tonnengewölbe-Keller mit knapp 2,4 m Scheitelhöhe, dessen Erbauung den Kalander-Mönchen zugeschrieben wird. Diesen Keller nutzte Knobloch schon lange als Weinlager. Nachdem die Scheunenreihe 1870 abgebrannt war, sollten 1872 an deren Stelle 4 Wohnhäuser erbaut werden (Am Freudenberg 5 bis 8). Nr. 8 sollte auf dem Gewölbe stehen, aber Knobloch wehrte sich vehement gegen den Verlust des existenznotwendigen Lagerkellers. „Man hatte Einfluss“ und fand einen ungewöhnlichen Kompromiss: Knobloch durfte im September 1872 den Keller kaufen. Dieser erhielt ein neues, eigenes Blatt zur bestehenden Cat.-Nr. 340 im Hypothekenbuch (Grundbuch), und der „fremde“ Keller durfte letztlich mit Haus-Nr. 8 überbaut werden.

Knobloch hatte vor 1885 das direkt an sein Haus Hauptstraße 16 anschließende Gebäude Kirchstraße 1, Cat.-Nr. 110,  gekauft und es zur noch heute bestehenden Form umgebaut. Früher befand sich darin u.a. das Malzhaus der Brauberechtigten Bürgerschaft. Kaufmotive waren Ertrag durch Vermietung und vor allem die eigene Nutzung der Kellerräume, die direkt an Haupstr. 16 grenzten, also wurde ein Durchbruch angelegt. Im Erdgeschoss befanden sich bis 1896 das Radeberger Postamt, danach die Deutsche Bank/Depositenkasse und die Buchhandlung Pfeil. Nach dem Tode von Carl Alexander 1878 wurde Sohn Georg Friedrich Alexander alleiniger Eigentümer beider Häuser und bewohnte Hauptstraße 16, Bruder Carl Wilhelm Hermann wohnte Kirchstraße 1.

Der "Knobloch'sche Weinspeicher" auf dem Freudenberg - in der Realität. Links die letzte alte Freudenberg-Scheune, rechts der Anfang der Wohnhausreihe Nr. 5 bis 8. Im Hintergrund die Kaiser-Wilhelm-Straße (heute Pestalozzistraße).
Der "Knobloch'sche Weinspeicher" auf dem Freudenberg - in der Realität. Links die letzte alte Freudenberg-Scheune, rechts der Anfang der Wohnhausreihe Nr. 5 bis 8. Im Hintergrund die Kaiser-Wilhelm-Straße (heute Pestalozzistraße).

Der weiter wachsende Weinhandel erforderte neue, größere Räumlichkeiten. Die Gelegenheit kam, als Advokat Schreiter per 1.1.1895 einen Teil der ihm gehörenden Fläche der ehemaligen Militär-Reitbahn auf dem Radeberger Freudenberg (Flurstück 182 a, östlich der Wohnhausreihe und südlich der letzten Scheune, heute Teil des Gymnasium-Sportplatzes) für 2.500 Mark an die Brüder Knobloch verkaufte. Diese bauten hier den bei älteren Radebergern noch gut bekannten großen „Knoblochschen Weinspeicher“ mit großem Keller und Kontor. Mit etwa 2.000 Quadratmetern Lagerkapazität war das recht beträchtlich. Es wurden Gebindegrößen bis 72 Flaschen und Fässer bis 600 (!) Liter gehandelt. Einige der gusseisernen Säulen des Weinkellers sind beim Verfüllen des Kellers (Gymnasium-Erweiterungsbau) gesichert und dankenswerterweise am oberen Ende der „Freudenberg-Treppe“ rechts als Stelen in den Grünanlagen aufgestellt worden, leider ohne informativen Bezug.

Nach dem Tode von Carl Alexander Knobloch ersuchte Sohn Georg Alexander im September 1878 „...den wohll. Stadtrat höflichst, die durch das Ableben des Herrn Carl Alexander Knobloch allhier erlassene Konzession zur Ausübung von Weinschank etc. den Erben des genannten Herrn und zwar der Frau Emma Therese Knobloch, Georg Fr. Alex Knobloch und Herrn Carl Wilh. Knobloch unter der Firma C. A. Knobloch aufs Neue und zwar in ihrem früheren Umfange verleihen zu wollen...“, erklärt aber schon im Dezember 1878 mit Zustimmung der Miterben, die Schankstätte alleine betreiben zu wollen. Von 1884 bis 1898 verpachtet er diese nacheinander an 6 Pächter, ab da betreibt Georg beide Objekte (Schankwirtschaft und Weinstube/ -handel) wieder alleine. Ab August 1901 verpachtete Knobloch die Schankwirtschaft an den früheren Uhrmacher und Goldschmied Oskar Vogel (ehem. Hauptstr. 1; nicht verwandt mit Knoblochs späterem 2. Schwiegersohn J.M.K. Vogel). Wegen Krankheit Vogels übernahm der Dresdner H.R.M. Thiel im Juni 1902 das Pachtverhältnis und durfte die Wirtschaft ab sofort „Bürger-Casino“ nennen.

Das prächtige "Knoblochsche Haus" Hauptstraße 16 um 1905; links Bürger-Casino, rechts  Weinhandlung, Terrasse und Mitteleingang sind zurückgebaut
Das prächtige "Knoblochsche Haus" Hauptstraße 16 um 1905; links Bürger-Casino, rechts Weinhandlung, Terrasse und Mitteleingang sind zurückgebaut

Dieser Name blieb auch bei den vielen späteren Pächtern erhalten. Mit Beginn des separaten Schankstätten-Betriebes erfolgten einige Umbauten im Erdgeschoss. Anstelle der bisherigen zentralen Eingangstür in der Mitte der Hauptstraßenfront bekamen „Bürger-Casino“ (links) und „Weinhandlung“ (rechts) separate Eingänge. Der Zugang zum Wohnhaus erfolgte nun über das Tor zum kleinen Innenhof auf der Kirchstraße. Diese Geschäftsraum-Gliederung blieb bis zur Sanierung des Gebäudes um 2010 erhalten, erst da erfolgte der Rückbau zur ursprünglichen Form.

 

Georg Friedrich Alexander Knobloch setzte klug auf mehrere wirtschaftliche Standbeine. Zusätzlich zu seinen Kerngeschäften als Wein-Großhändler und Weinstuben-Betreiber sowie den relativ sicheren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vertrieb er ab 1879 regional auch Bier und stieg ins aufblühende Versicherungs-Geschäft ein. Von 1880 - 1913 war er Agent der Aachener und Münchener Feuerversicherungs-Gesellschaft und von 1882 - 1883 auch Agent der Leipziger Feuerversicherungs-Gesellschaft. Letztere Agentur hatte er nach 1918 wieder aktiviert. Knobloch betrieb auch eine Filiale der „Königl. Sächsischen Landeslotterie“ und nach 1918 der „Staatslotterie-Einnahme“.

Für den bisher sehr erfolgreichen Kaufmann G.F.A. Knobloch war auch die „höhere Politik“ verlockend. Bereits 1896 war er „Friedensrichter für das Gebiet rechts der Röder“. Er gehörte nicht dem Stadtrat an, sondern wollte „höher hinaus“, nämlich Landtagsabgeordneter werden. Im 3. Sächsischen Wahlbezirk kandidierte er für den Landtag des Königreiches Sachsen und entwickelte hier in der Wählerversammlung am 24.9.1901 sein Programm, das volle Zustimmung erhielt. 1901 wurde Knobloch zum Abgeordneten der II. Kammer („Vertreter der Rittergüter, Städte und des Bauernstandes“) in den 29. Ordentlichen Landtag gewählt und hatte als „Konservativer“ das Mandat bis zum 37. Ordentlichen Landtag 1918 inne.

Wahlkampf 1909: Georg Knobloch trat als "Konservativer" Vertreter des Mittelstandes gegen den Sozialdemokraten Ernst Braune an. Mit großer Mehrheit wurde Knobloch als Vertreter des 3. Städtischen Wahlkreises in den Sächsischen Landtag wiedergewählt.


 

1911 wurde Knobloch Schriftführer der Finanzdeputation der II. Kammer und hat sich insbesondere der Verkehrsentwicklung Sachsens gewidmet. Der Stadtrat Radeberg hatte (gemeinsam mit Radeburg, Großenhain und 63 umliegenden Gemeinden) bereits 1897 eine Petition beim Landtag eingereicht, in der auf die Grenzen für ihre weiter expandierende Industrie eingegangen wurde, die in der besitz- und geländemäßige Struktur ihrer Transport-Anbindung, konkret des Bahnhofes, begründet waren. Die nahe Lösung sollte die industrielle Erschließung des Radeberger Nordens mittels eines „Industrie-Gleises und -Bahnhofes“ und das Fernziel der Bau einer Normalspurbahn vom Knoten Arnsdorf über Radeberg-Nord nach Radeburg unter Einbeziehung der Gemeinden des Rödertales sein. Knobloch kämpfte um diese Bahn und damit um die perspektivische Ausdehnung Radebergs, was jedoch vorerst an den geplanten Kosten von 4 Millionen Mark für 24 km Strecke (darin 2 große Röderbrücken) scheiterte und letztlich mit Beginn des Ersten Weltkrieges vom Tisch war. Ebenso forcierte Knobloch den jahrelang bürokratisch verzögerten Umbau des Bahnüberganges Dresdener Straße zu einer Unterführung. Erst nachdem ein Dresdner Autofahrer am 3.2.1914 hier tödlich verunglückte, begann der Bau dann recht schnell (siehe auch W. Lumpe: RBl. 11, S. 94 ff.).

Als einer der (wahrscheinlich) ersten Bürger Radebergs besaß Georg Knobloch bereits um 1904 ein Automobil. Dieses war ein dreirädriges, zweisitziges, offenes  Gefährt der Marke "Cyklonette" aus der Berliner "Cyklon Maschinenfabrik GmbH".

 

Georg Knobloch mit seiner Gattin Jenny Emilie Therese geb. Bönicke in ihrer "Cyklonette", um 1904.

Foto: Archiv Ditmar Fuchs 

 

Das Knoblochsche Haus Hauptstraße 14 (ehem. Nr. 16) heute, schlicht und schmucklos
Das Knoblochsche Haus Hauptstraße 14 (ehem. Nr. 16) heute, schlicht und schmucklos

Nach dem Tode Georg Friedrich Alexander Knoblochs 1923 übernahm, da es keinen männlichen Nachfahren mehr gab, Schwiegersohn Johannes Moritz Vogel die Geschäftsführung, Tochter Margarethe Jenny erbte die Immobilien. In der frühen DDR-Zeit wurden Herr Georg Reißmann und danach dessen Sohn Siegfried Geschäftsführer. Der bewährte und zum Markenzeichen gewordene Firmenname „C.A. Knobloch“ wurde aber beibehalten.

Selbst nach der Verstaatlichung 1972 (zum VEB Nordstern Görlitz gehörig) wurde dem Betriebsnamen der Zusatz „ehem. C.A. Knobloch“ angefügt. Eine verdiente Ehrung für den Firmengründer, seine gesamte Familie und natürlich für alle Kaufmanns-Generationen Knobloch in Radeberg.

 

Die "Knobloch-Chronik"

Unter Heimatforschern und historisch Interessierten wird die mit einem „Hauch von Geheimnis“ belegte „Knobloch-Chronik“ zwar oft erwähnt, aber nur wenige von uns Zeitgenossen haben dieses Werk jemals einsehen können oder gar in den Händen gehalten. Wie verhält es sich damit wirklich?

Die Chronik „Radeberg und seine Umgebungen“ von Dr. Heinrich v. Martius (1781-1831) schließt um 1827, die folgende Zeit war kaum dokumentiert. Carl Alexander Knobloch hatte früh begonnen, diese chronistische Lücke für seine Vaterstadt zu schließen. Als 1843 gemeinsam für Radeberg und Pulsnitz ein „Wochenblatt“ erschien (1849 zum „Amtsblatt“ erhoben), nutzte er neben seinen eigenen Niederschriften diese Informationsquellen zur Vervollkommnung und Fortschreibung der Chronik von Radeberg. 1871 erfuhr Knobloch, dass sich eine geschriebene Chronik, die vom früheren Bürgermeister Johann Friedrich Balthasar Thieme (1751-1841) geführt worden war, in den Händen des Bürgermeisters Dr. med. Carl Gottfried Kuntzsch (1801-1875) befinden soll. Kuntzsch weigerte sich, dieses „Privat-Eigentum“ zur Weiterführung an Knobloch zu übergeben. Erst unverschuldete wirtschaftliche Not zwang Kuntzsch 1872 zum Verkauf der Thieme-Chronik an Carl Alexander Knobloch. Dieser führte Thiemes Chronik und seine eigenen Niederschriften, insges. 630 handgeschriebene Seiten, zusammen, ordnete alles und ließ das Werk in der „Kgl. Hofbuchbinderei zu Dresden“ binden. So entstand der die Zeit bis 1840 umfassende Band I, den man korrekterweise „Thieme-Knobloch-Chronik“ nennen muss.

C.A. Knobloch suchte einen Partner, der ihm bei der Aufarbeitung der Wochenblätter helfen und die Chronik weiterführen könnte. Diesen fand er in Moritz Emil Gärtner, ebenfalls Kaufmann in Radeberg. Neben einer ausgeprägten Heimatverbundenheit hatte Gärtner ein zweites, familiär begründetes Motiv zur Mitarbeit: er war der Urenkel des Begründers dieser Chronik, J.F.B. Thieme, und wollte so mithelfen, dessen Werk weiterzuführen. Nach C.A. Knoblochs Tod 1878 führte sein Sohn Georg Alexander die Aufzeichnungen weiter, Gärtner blieb unentbehrlicher Partner und Mitautor. Damit verdient der 2. Teil der Chronik den Namen „Knobloch-Gärtner-Chronik“. Diese endet 1904 mit einem Umfang von 640 Seiten. Beide Bände sind an Georg Knoblochs Tochter Margarethe, verehel. Vogel, vererbt worden und befinden sich noch heute im Privatbesitz.

 

Das Einzigartige und Wertvolle an diesem Werk ist, dass es über 130 Jahre lang von Zeitzeugen, also zeitnah, fortgeschrieben worden ist. Gegenüber anderen Chroniken, die natürlich auf Sammlungen von Niederschriften früherer Chronisten sowie auf Überlieferungen und Aufzeichnungen aus möglichst vielen anderen Quellen beruhen und damit auch deren eventuelle Ungenauigkeiten zum Inhalt haben, ist die gesamte Knobloch-Chronik zumindest für die Zeit ab etwa 1760 höchst authentisch. Die inhaltliche Sicherung dieses für die Region Radeberg äußerst wertvollen historischen Werkes ist begonnen worden und wird weitergeführt, die Erschließung für eine breitere Öffentlichkeit sollte ein Ziel für die weiteren stadtgeschichtlichen Forschungen zu Radeberg werden.

 

Und letztlich haben sich alle vier Chronisten, Johann Friedrich Balthasar Thieme, Carl Alexander und Georg Alexander Knobloch sowie Moritz Emil Gärtner, damit ein verdientes Denkmal gesetzt.

Quellen: 

Kursiv wiedergegebene Texte sind Zitate aus den Chroniken Thieme/Knobloch/Gärtner

  • Stadtarchiv Radeberg: Akten 427, 1233, 1243, 4051
  • Gunter Stresow: "Die Knobloch'sche Restauration in Radeberg", Übertragung der Akte 1231 Stadtarchiv Radeberg
  • Theodor Arldt: Heimatbuch Radeberg,
  • C. Pfietzmann: Radeberg - 500 Jahre Stadt; in: Salonblatt, Dresden 1912, S. 334 ff.
  • „Das Echo“, Amtsblatt des Stadtrates und Gerichtsamtes, v. 12.11.1866
  • "Radeberger Zeitung" Jg. 1909, div. Ausgaben
  • Mitteilungen über die Verhandlungen des Außerordentlichen Landtags Jg. 1912, 1914
  • Museum Schloss Klippenstein Radeberg (Historische Fotos)

© Klaus Schönfuß

 

Oktober 2016